Stammzellen: Herta gegen Herzog

■ Hochkarätig besetztes Podium im fünften ökumenischem „Stadtgespräch“ in Bremen

Ein ungewöhnliches Thema für das Podium in der alten Bremer Ratskirche Unser Lieben Frauen: „Vom Geschöpf zum Schöpfer – Genforschung und Verantwortung“. Da geht es um den dreijährigen Zain aus dem nordenglischen Leeds, der todkrank ist, weil sein Blut nicht in der Lage ist, genug Sauerstoff zu binden. Präimplantationsdiagnostik (PID) heißt das Verfahren, das ihm nun das Leben retten soll. Das prominent besetzte fünfte ökumenische „Stadtgespräch“ am Dienstagabend in Bremen machte es zum Thema.

Eine passende Knochenmark-Transplantation, die passenden Stammzellen könnten Zain das Leben retten. Doch niemand in der Verwandtschaft ist als Spender geeignet. Nun soll in der Petrischale ein Embryo entstehen, dessen Gewebe perfekt zum kranken Bruder passt. Die Aufsichtsbehörde in Großbritannien hat für diesen Einzelfall bereits zugestimmt. Mit dem Blut aus der Nabelschnur und den Stammzellen, die man dort reichlich findet, soll der Embryo dafür sorgen, dass Zain überlebt. In Deutschland ist das undenkbar, denn PID ist hier verboten. Noch.

Auch Bundespräsident a.D. Roman Herzog hätte für diesen Einzelfall auch eine Erlaubnis erteilt. „Ich warne aber davor, mit extremen Fällen Probleme zu lösen“, schränkte der Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichtes bei der Debatte ein.

Neben Herzog diskutierten Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD), der Gentechniker Detlev Ganten und die Sozialethikerin Hille Haker ein Thema, das in den vergangenen Wochen und Monaten ganz Deutschland bewegt hat. Das spiegelte sich auch in der Entscheidung des Bundestages wider, der am 30. Januar den Import menschlicher embryonaler Stammzellen unter strengen Auflagen erlaubte. Für den Import bestehender Stammzelllinien in Ausnahmefällen stimmten 339 Abgeordnete, ein Importverbot unterstützten 266 Bundestagsmitglieder.

„Die knappe Entscheidung signalisiert, dass wir mit großer Wachheit und großer Skepsis weiterdenken müssen“, sagte Herzog. „Wir müssen von Fall zu Fall abwägen“, sprach er sich gegen ein grundsätzliches Verbot aus. Schwierig, wenn man bedenkt, dass es noch nicht einmal Übereinstimmung in der Frage gibt, wann das menschliche Leben beginnt.

„Das muss spätestens bei einer Entscheidung zu PID ausdiskutiert werden“, verdeutlichte Herta Däubler-Gmelin. Entscheidungen wie die britische zum Fall von Zain Hashmi könnten aber zuvor wie ein Dammbruch wirken, befürchtete die Ministerin und stellte sich damit gegen Herzog. Die Grenze von einem Fall zum anderen sei „juris-tisch nicht zu halten“, warnte sie. Und auch Hille Haker, Mitglied der Ethikkommission der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz, bestärkte die Kritik: Einzellfallentscheidungen veränderten das Wertegefüge. Wer PID zustimme, „verabschiedet sich grundsätzlich vom Embryonenschutz“.

„Der Mensch darf nicht alles tun, was er tun kann. Es gibt Grenzen“, verdeutlichte der theologische Repräsentant der Bremischen Evangelischen Kirche, Pastor Louis-Ferdinand von Zobeltitz, die gemeinsame Position der beiden großen Kirchen. Das ist auch das Credo der ökumenischen „Woche für das Leben“, auf die der katholische Propst Ansgar Lüttel hinwies. Unter dem Titel „Von Anfang an das Leben wählen statt auszuwählen“ starten die Kirchen vom 13. bis 20. April bundesweit eine Kampagne für die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens in der Biomedizin.

epd

Ausschnitte aus der Debatte sendet das Nordwestradio am Sonnabend, 23. März, in der Reihe „Religion und Gesellschaft“ ab 17.05 Uhr