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In Köln sagt man kräftig Danke

Staatsanwaltschaft bestätigt, dass Müllentsorger politische Entscheidungen mit Geld belohnt haben – nachträglich, als Spende an die Sozialdemokraten. Im Mittelpunkt des Schmiersystems: Der ehemals starke Mann der Kölner SPD Klaus Heugel

Den guten Brauch der Dankeschön-Leistung habe er von Heugel gelernt, sagt Rüther

aus Köln PASCAL BEUCKER und SEBASTIAN SEDLMAYR

Zufrieden schaute Klaus Heugel auf seine Truppe: „Diese Mannschaft hat Zukunft“, verkündete der 65-jährige Sportliche Leiter des Radprofirennstalls Team Cologne stolz nach der Rhodos-Rundfahrt Ende Februar. Inzwischen hat sich die Miene des 65-Jährigen verfinstert.

Denn Heugel, einst der starke Mann der Kölner SPD, hat die Vergangenheit eingeholt. Aus seiner früheren Mannschaft ist einer ausgeschert und hat geplaudert. Täglich werden weitere für Heugel äußerst unangenehme Details aus der staatsanwaltlichen Vernehmung seines Ziehsohns Norbert Rüther bekannt. Immer sichtbarer wird, wie das System schwarzer Kassen und illegaler Spenden bei den Domstadt-Genossen funktioniert hat. Und im Mittelpunkt steht: Klaus Heugel.

Das System schien perfekt. Nein, die Kölner Sozialdemokraten ließen sich nicht einfach erst schmieren, um im Anschluss diesem oder jenem Unternehmen einen lukrativen städtischen Großauftrag zuzuschanzen. In der Domstadt lief es anders herum: Zuerst erhielt eine Firma den Zuschlag – und danach wurde sie freundlich gebeten, dafür Danke zu sagen. Und die Firmen sagten Danke.

Beispielsweise der Viersener Müllmogul Hellmut Trienekens. Von seinem Privatkonto sollen 76.600 Euro in die schwarzen Kassen der SPD gelangt sein. Auch der Gummersbacher Anlagenbauer L + C Steinmüller hat sich nach Rüthers Aussage erkenntlich gezeigt. Ein Jahr, nachdem das Unternehmen 1994 den Auftrag zur Errichtung der 434 Millionen Euro teuren Kölner Müllverbrennungsanlage erhalten hatte, will der damalige SPD-Fraktionsgeschäftsführer Rüther nach Absprache mit Fraktionsboss Heugel den Steinmüller-Geschäftsführer Sigfrid Michelfelder um eine großzügige Gabe gebeten haben. Die 77.700 Euro erhielt er im Juli 1995 in der Züricher Kanzlei des Rechtsanwalts Rolf Egli. 26.600 Euro gab Rüther weiter an den damaligen Kölner Schatzmeister Manfred Biciste, der Rest ging in zwei Kriegskassen – eine firmierte unter „sonstige Zwecke“, und die andere diente zur Unterstützung des Wahlkampfs des SPD-Oberbürgermeisterkandidaten: Klaus Heugel.

Dieses System der „Dankeschön-Leistungen“ sei in den 90er-Jahren guter Brauch gewesen, sagte Rüther gegenüber der Staatsanwaltschaft aus. Und er will ihn von Heugel nur übernommen haben. Durch diese Zahlungsmodalitäten habe die Kölner SPD sicherstellen wollen, sich nicht eines Tages einem Bestechungsvorwurf ausgesetzt zu sehen. Heugel, dessen Slogan „Köln ist Vertrauenssache“ war und der mitten im Oberbürgermeisterwahlkampf 1999 über illegale Aktieninsidergeschäfte stolperte, erwartet nun eine erneute Vorladung von der Kölner Staatsanwaltschaft. Jetzt als Beschuldigter – anders noch als bei seiner ersten Vernehmung Ende Februar.

Er wird einiges zu erklären haben – ebenso wie die Genossen in Mülheim an der Ruhr. Zwei Ortsvereine sollen hier 1999 von Trienekens insgesamt 2.300 Euro angenommen und der Viersener Müllfirma dafür „Gegenleistungen“ gegeben haben. Das behauptet laut Bild-Zeitung der Ratsherr und frühere SPD-Unterbezirkschef Thomas Schröer. Die Mülheimer SPD-Fraktion wies die Vorwürfe Schröers, der inzwischen aus der Fraktion ausgetreten ist, umgehend zurück. Außerdem legte der Geschäftsführer des Unterbezirks, Arno Klare, die Rechenschaftsberichte der betreffenden Ortsvereine für das Jahr 1999 vor. Danach scheinen die Spenden ordnungsgemäß ausgewiesen zu sein. Die Vorsitzende der Mülheimer SPD, Dagmar Mühlenfeld, will trotzdem „für die Öffentlichkeit absolute Klarheit“ schaffen: Die Schmude-Kommission, die sich um die Aufklärung des Kölner Schmiergeldskandals bemüht, soll nun auch die Mülheimer SPD-Buchhaltung durchforsten.

Die Duisburger Staatsanwaltschaft hat unterdessen die Verträge der Städte Mülheim, Duisburg und Oberhausen mit Trienekens zur Überprüfung angefordert. Bei der Ausschreibung für die Beteiligung an der städtischen Entsorgungsgesellschaft MEG Ende der 90er-Jahre wurden offenbar – ähnlich wie im Fall der Ausschreibung für den Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage – Richtlinien missachtet. Damals schrieb der zuständige Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büssow (SPD) in einer Aktennotiz, letzte Zweifel an einem Vertrag mit Trienekens seien durch den Präzedenzfall in Köln vom Tisch.

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