Rote Brigaden bekennen sich zu Mord

Italiens Regierungschef Berlusconi fordert Kotau der Gewerkschaften. Aber die wollen weiter demonstrieren

ROM taz ■ Mit einem 26-seitigen, per E-Mail versandten Bekennerschreiben haben gestern die Roten Brigaden die Verantwortung für den Mord an Marco Biagi übernommen. Der am Dienstagabend in Bologna „hingerichtete“ Arbeitsrechtler sei als Berater des Arbeitsministers einer der Hauptverantwortlichen für die beabsichtigte Modifizierung des Kündigungsschutzes und weitergehend für die „Schaffung neuer Garantien für die Unternehmer bei der Ausbeutung der verschiedenen Formen der Lohnarbeit“.

Explizit stellen die Roten Brigaden eine Kontinuität zwischen dem vor drei Jahren erfolgten Mord an Massimo D’Antona – der ebenfalls Berater des damaligen Arbeitsministers der Mitte-Links-Regierung gewesen war – und der jüngsten Bluttat her. Den gleichen Zusammenhang sehen die Fahnder gegeben, die schon vermeldeten, beide Male sei die gleiche Tatwaffe zum Einsatz gekommen. Eine überraschende Auskunft, da vor drei Jahren am Tatort keinerlei Patronenhülsen gefunden wurden und der Vergleich von Projektilen gewöhnlich Tage, wenn nicht Wochen dauert. Doch Innenminister Claudio Scajola braucht schnelle Erfolge, da er wegen der im September letzten Jahres erfolgten Streichung des Personenschutzes für Marco Biagi heftiger Kritik ausgesetzt ist. Die Familie des Opfers jedenfalls teilte mit, sie lege auf das angekündigte Staatsbegräbnis keinen Wert.

Zugleich geht die Regierung politisch in die Offensive. Silvio Berlusconi folgerte aus dem Anschlag, die Gewerkschaften hätten jetzt gefälligst an den Verhandlungstisch zurückzukehren, auch wenn die Regierung gar nicht daran denke, ihre Pläne zu ändern. Die Modifizierung des Kündigungsschutzes sei sie dem Ermordeten schuldig. Weit rüder brachte der Forza-Italia-Abgeordnete Carlo Taormina die gleiche Logik zur Sprache, wonach friedlicher Protest gegen die Regierung der Vorhof zum Terror ist. Er sah die „objektive Verantwortlichkeit“ des größten Gewerkschaftsbundes CGIL für den Anschlag: „Sie haben die Bedingungen dafür geschaffen, dass die Terroristen sich zur Verfügung stellen konnten.“

Die CGIL lässt sich davon nicht beeindrucken. Sie kündigte Klage gegen Taormina an – und sie hält an der Mobilisierung für die Großdemonstration am Samstag in Rom fest. Dort werde selbstverständlich gegen den Terror demonstriert, erklärte CGIL-Vorsitzender Sergio Cofferati; genauso aber gehe die Gewerkschaft weiterhin für die Rechte der Arbeitnehmer auf die Straße.MICHAEL BRAUN