: Wind folgt Gegenwind
Einst als Retter gefeiert, muss sich Gerhard Schröder nun Kritik gefallen lassen
BERLIN taz ■ „Holzmann saniert Schröder“, titelte die taz im November 1999: Die Rettung des Baukonzerns hatte dem bis dahin wenig erfolgreichen Kanzler einen Popularitätsschub verpasst. Nun ist Holzmann doch am Ende – und der Kanzler muss sich für seine missglückte Rettungstat rechtfertigen, und das im Wahljahr.
CSU-Chef Edmund Stoiber sagte, die Entwicklung des Konzerns zeige, dass Wirtschaftspolitik nicht mit spontanen Eingriffen verwechselt werden dürfe. Dennoch hielt sich der bayerische Ministerpräsident und Kanzlerkandidat moderat; womöglich hätte er an Schröders Stelle genauso gehandelt: „Natürlich muss ein Ministerpräsident oder ein Kanzler, wenn Gefahr besteht, moderierend eingreifen.“ Aber den Eindruck erwecken, als läge die Sicherung eines so großen Unternehmens bei der Politik, „fällt dem Kanzler nun auf die Füße“. Stoiber sagte, die Staatsquote, also das Engagement des Staates in der Wirtschaft, müsse „dringend gesenkt werden“.
Harscher fiel die Kritik von CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz aus. Er warf dem Kanzler gestern im Bundestag vor, durch die Intervention zugunsten von Holzmann seien viele mittelständische Bauunternehmen „in den Ruin getrieben“ worden. Sie hätten mit den niedrigen Löhnen bei Holzmann – eine Folge des ausgehandelten Lohnverzichts im Rahmen des Sanierungsplans 1999 – nicht mithalten können, wetterte Merz. Die Regierung atme „den Geist des Interventionismus und Protektionismus“ und offenbare ein „abgrundtiefes Misstrauen gegen eigenverantwortliche Unternehmen“.
FDP-Wirtschaftsexperte Rainer Brüderle kritisierte, die Rettungsaktion habe die Selbstreinigungskräfte des Marktes nicht außer Kraft setzen, sondern nur behindern können. „Daher ist das offensichtlich unausweichliche Insolvenzverfahren jetzt der ehrliche Weg.“
Diese Kritik wies die SPD scharf zurück. Tatsächlich hat Holzmann die „Kanzlerkohle“ bis heute nicht abgerufen. Das Geld sei für zukünftige Investitionen des Konzerns im Ausland reserviert, hieß es auf Nachfrage. Würden die Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau vorzeitig abgerufen, müssten dafür doch nur Zinsen gezahlt werden, sagte ein Konzernsprecher der taz.
Der Bundeskanzler selbst äußerte sich im Bundestag nicht zu Holzmann. Außenminister und Vizekanzler Joschka Fischer (Grüne) verteidigte Schröder: Schuld an der Krise sei nicht die Regierung, sondern das Management. Die Regierung werde weiter nicht tatenlos zusehen, wenn tausende Arbeitsplätze bedroht seien. Fischer prophezeite, bei einem Konkurs des Kirch-Imperiums sei ein Engagement der CSU-Landesregierung in Bayern zu erwarten. KATHARINA KOUFEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen