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Milde für den Bremer Nazi-Nachwuchs

■ Steine auf eine Moschee in Bremen-Nord hat eine NPD-Aktivistin geworfen. Jetzt stand sie vor Gericht

„Das ist das Gleiche, wie wenn man als kleiner Junge dem Nachbarn, den man nicht mag, eine Scheibe einschmeißt.“ So umschrieb gestern vor dem Amtsgericht Blumenthal die heute 22-jährige Janine B. ihre Attacke auf die Moschee des islamischen Kulturvereins in der Hammersbecker Straße. Am 26. August 2000 hatte sie – heute ein stolzes Mitglied der NPD – dort zusammen mit drei Freunden die Fenster eingeworfen. Jugendrichter Christian Zorn fällte dennoch kein Urteil: Gegen eine Auflage von 120 Arbeitsstunden stellte er alle drei gegen B. laufenden Verfahren ein.

Neben dem Anschlag auf die Moschee musste sich die Angeklagte gestern auch wegen eines unmittelbar darauf erfolgten Anschlags auf die Schaufenster eines türkischen Gemüsehändlers in der Lindenstraße verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf der 22-Jährigen zudem vor, gewusst zu haben, dass der mittlerweile verurteilte Vegesacker Rechtsradikale Falk von L. – ein guter Freund von B. – einen Sprengstoffanschlag auf ein Ausländerwohnheim plante.

Nach einem gemeinsamen Abend mit Fascho-Musik waren die angetrunkenen Neonazis am Tatabend zu viert von L.s Wohnung zu einem Rundgang aufgebrochen. „Die Laune war gut“, sagte B. und gab zu, Steine auf die Moschee geworfen zu haben. Beim türkischen Gemüseladen will sie hingegen nur Schmiere gestanden haben: „Mir war nicht wichtig, ob da was passiert oder nicht.“ Aus ihrer feindlichen Einstellung Nicht-Deutschen gegenüber machte B. keinen Hehl.

5.000 Mark kostete es den Kulturverein, die zerbrochenen Scheiben an der Moschee zu ersetzen. Schlimmer noch als der materielle Schaden, so ein Mitglied des Vereins, sei allerdings die Angst gewesen, die nach dem Anschlag in der Gemeinde herrschte. Nachdem zuvor schon Bierflaschen geflogen waren, habe man sich gefragt: „Was kommt als Nächstes?“ Sich öffentlich vor der islamischen Gemeinde zu entschuldigen, wie es einer der anderen Neonazis letztes Jahr getan hatte, lehnte die Angeklagte trotzdem ab: „Ich glaube nicht, dass das vorteilhaft wäre.“

Vehement bestritt B., von den Bomben-Plänen ihres guten Freundes L. gewusst zu haben. Zwar sei auch sie dabei gewesen, als der inzwischen zu drei Jahren Haft Verurteilte vor Gleichgesinnten in seiner Wohnung einen Brandversuch durchgeführt hatte. Sie habe jedoch von der Küche aus nichts bemerkt. Der als Zeuge aus dem Knast in Oslebshausen angereiste L. bestätigte: „Mädchen ging das nichts an.“

Auch wenn weder Richter noch Staatsanwaltschaft dem Glauben schenkten – sie konnten B. ihre Mitwisserschaft nicht nachweisen. Denn L. wollte sich unter Verweis auf seine Trunkenheit zum Tatzeitpunkt an nichts mehr erinnern, ein weiterer Zeuge verweigerte die Aussage. Einen neuen Verhandlungstermin anzusetzen und einen dritten Beteiligten zu laden, der in der Sache schon mehrmals ergiebige Aussagen gemacht hatte, war dem Gericht zu umständlich. Auf Vorschlag von Jugendgerichtshelferin Sybille Vollmer wurden der Angeklagten lediglich 120 Arbeitsstunden auferlegt. Die muss sie bis Ende Juli abarbeiten – im Antifa-Treffpunkt Lidice-Haus. „Da ist sie gezwungen, sich damit auseinander zu setzen“, zeigte sich Vollmer zufrieden. Richter Zorn indes fürchtet bereits weitere Aktionen der Rechten, die sich unter der De-cke der NPD sammelten: „Das ist verdammt ruhig zurzeit.“ hoi

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