: Die Autoindustrie scheut den Vergleich
Seit 15 Monaten verschleppt Wirtschaftsminister Müller ein Gütesiegel für Autos. Während die Industrie den Spritverbrauchswert möglichst gut verstecken will, verlangt eine Koalition aus ADAC und Umweltschützern Transparenz
BERLIN taz ■ Seit 15 Monaten schon müsste eigentlich an jedem Auto in den Verkaufshäusern ein Aufkleber prangen, der auf die Verbrauchswerte hinweist. So will es die EU-Richtlinie 1999/94/EG. Doch in Deutschland ist sie noch immer nicht umgesetzt. Das Problem: Wie stellt man den Spritverbrauch bzw. den Ausstoß an klimaschädlichen Gasen verbraucherfreundlich dar? Seit über einem Jahr veranstaltet das federführende Wirtschaftsministerium Arbeitstreffs und Expertenanhörungen, nur um am Ende eine Minimallösung vorzuschlagen und sich jetzt das Veto des Umweltministeriums einzuhandeln.
Um Ostern herum werden sich deshalb Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) und Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) treffen, um den Konflikt zu lösen. Müller will lediglich einen schlichten, gedruckten Hinweis in der Art: „Dieses Fahrzeug stößt 300 Gramm CO2 pro Liter aus.“ Damit liegt er ganz auf Linie der Industrie, die den Vergleich scheut. Trittin dagegen möchte zur nackten Zahl eine Art Diagramm in Form einer Thermometerskala hinzufügen: Sie reicht vom höchsten bis zum niedrigsten Ausstoß der erhältlichen Automodelle. Ein roter Pfeil über der Skala soll anzeigen, wie gut das jeweilige Auto im Vergleich zu den Extremwerten rangiert. Fertig ist das im Fachjargon „CO2-Label“ genannte Gütesiegel.
Doch auch das lässt einen schnellen Vergleich nicht zu. „Am Ende müsste der Verbraucher doch wieder genauer hinsehen“, kritisiert der UBA-Experte Stefan Rodt. Eine seltene Koalition aus Umweltbundesamt (UBA), Umweltverbänden und dem ADAC verlangt deshalb eine Regelung, vergleichbar den Energiegüteklassen von Waschmaschinen. Die werden je nach Energieverbrauch in A bis G kategorisiert. Dieses System sei „bekannt und sehr übersichtlich“, argumentiert etwa der ADAC. Die Niederlande führten es bereits für Autos ein. Trittin jedoch hält an seinem Schema fest – gegen den Rat der Fachbehörde.
Dabei wird die Betonung auf den Ausstoß an CO2 (Kohlendioxid) die Verbraucher schon genug irritieren – schließlich haben sie sich an „Spritverbrauch pro 100 Kilometer“ gewöhnt. Der neue Wert misst nun nicht mehr, wie viel getankt wurde, sondern wie viel aus dem Auspuff heraustritt. Da Diesel, Benziner und Erdgasfahrzeuge alle am Ende CO2 ausstoßen, wird ihr Verbrauch so künftig direkt vergleichbar.
Nach der EU-Richtlinie wird aber auch der Spritverbrauch weiter angegeben werden müssen. Zusätzlich verlangt Brüssel, dass der Kunde ein Handbuch erhält. Das soll die Verbrauchswerte aller Fahrzeugtypen, Tipps zum sparsamen Fahren und zwei Infoseiten zum Treibhauseffekt enthalten. MATTHIAS URBACH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen