Kanther, der Prinz und der Geldbote

Das Landgericht Wiesbaden verzichtet auf ein Verfahren gegen die CDU-Funktionäre Kanther, Wittgenstein und Weyrauch. Hat der Beschluss Bestand, droht den dreien ein Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss – ohne Zeugnisverweigerungsrecht

aus Wiesbaden KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Manfred Kanther scheint aus dem Schneider. Der 62-Jährige muss sich im Spendenskandal der hessischen CDU vermutlich nicht mehr vor einem Gericht verantworten. Der ehemalige hessische Innenminister und CDU-Generalsekretär soll 1983 rund 20 Millionen Mark aus der Parteikasse der Hessen-CDU auf Nummernkonten und Konten ominöser Stiftungen in der Schweiz und in Liechtenstein verschoben haben. Das Landgericht in Wiesbaden lehnte es gestern ab, Anklage wegen Untreue oder Beihilfe zur Untreue gegen Kanther und seinen damaligen Kassenwart, den „schwarzen Prinzen“ Casimir Sayn-Wittgenstein, sowie ihren Geldboten Horst Weyrauch, den Finanzberater der Partei, zu erheben.

Die Staatsanwaltschaft kündigte an, Beschwerde vor dem Oberlandesgericht Frankfurt einzulegen. Bisher liegt die schriftliche Begründung des Wiesbadener Landgerichts zur Ablehnung der Verfahrenseröffnung noch nicht vor. Es wäre möglich, dass die Staatsanwälte, nachdem sie die Argumente der Richter geprüft haben, ihre Beschwerde wieder zurückziehen.

Landgerichtssprecherin Ruth Schröder sagte gestern, das Gericht habe das Verfahren abgelehnt, weil die Vorwürfe verjährt seien. Zudem hätten die Millionen bereits in Deutschland „auf Geheimkonten gelegen“. Deshalb sei das Geld nicht erst durch die Transaktionen von Kanther, Wittgenstein und Weyrauch dem Zugriff anderer Parteimitglieder entzogen worden. Kanther und Co. hätten der CDU also „keinen Schaden zugefügt“.

Das sieht die Staatsanwaltschaft – noch – anders. Mit seinen einsamen Entscheidungen habe das Trio der Partei das Geld entzogen; die Rückflüsse in schwarze und andere Kassen der Union seien ausschließlich von Kanther und seinen Helfern organisiert worden. Prinz Wittgenstein etwa deklarierte sein Schwarzgeld schon mal gerne als „Vermächtnisse von in der Schweiz verstorbenen Juden“, um unangenehmen Fragen nach der Herkunft der oft großen Summen vorzubeugen. Das sorgte im Nachhinein für große Empörung auch in der Union. Wittgenstein, der in Kommunalwahlkämpfen „Handgeld“ an die Kandidaten seiner Partei verteilte, wurde zur persona non grata. Kanther legte nach der Aufdeckung der Affäre sein Bundestagsmandat nieder.

Bis heute weigert sich das Trio etwas über die Herkunft der 20,8 Millionen Mark zu sagen, die sich Anfang der 80er-Jahre auf den Konten der hessischen Union angesammelt hatten. Es ist noch immer nur eine Vermutung, dass es sich dabei um Geld der so genannten Staatsbürgerlichen Vereinigung handelt, wie etwa die Oppositionsparteien im hessischen Landtag meinen. Die „Staatsbürgerliche Vereinigung“ war während der Flick-Affäre als Spendenwaschanlage enttarnt worden – ihr Restvermögen danach plötzlich verschwunden.

Einen einzigen Nachteil könnte der endgültige Verzicht auf Strafverfolgung für Kanther, Wittgenstein und Weyrauch allerdings noch haben: Die drei von der Geldwaschanlage müssten dann vielleicht doch noch als Zeugen vor dem hessischen Untersuchungsausschuss aussagen. Sollten alle Verfahren gegen sie eingestellt werden, könnten die drei von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht keinen Gebrauch mehr machen.