: Der Staat heizt Hausbesitzern ein
Heizen mit weniger Energie: Seit Februar will die Energieeinsparverordnung Hausbesitzern auf die Sprünge helfen. Sie gilt bei umfangreichen Sanierungsarbeiten im und am Haus. Fachleute schätzen, zwei Drittel aller Wohnungen seien nachzubessern
Die Energieeinsparverordnung (EnEV) schreibt für neue und alte Häuser einen höheren Wärmeschutz und moderne Heizsysteme vor. In beiden Bereichen sollen die Eigentümer bis Ende 2006 etwas tun. Beides ist sinnvoll: In einem normalen Haushalt entfallen noch immer über drei Viertel des gesamten Energieverbrauchs auf die Raumheizung, weitere 12 Prozent auf die Herstellung von Warmwasser. Das will der Gesetzgeber mit der Sparverordnung ändern.
Die EnEV gilt bei umfangreichen Sanierungsarbeiten im und am Haus, weil die zusätzlichen Energiesparmaßnahmen unter solchen Bedingungen auch wirtschaftlich zu vertreten sind. Der Bauherr kommt um die EnEV nicht herum, wenn mindestens ein Fünftel einer Fassade oder des Daches erneuert werden. Oder wenn der beheizte Raum in seinem Haus um mehr als 10 Quadratmeter vergrößert wird.
Das ist kein Grund zur Panik: Die Instandsetzungskosten erhöhen sich kaum, wenn zusätzlich Dämmmaterial auf der Fassade angebracht wird. Kosten für das Gerüst und einen neuen Putz entstehen ohnehin. Besser noch: Bei der Montage eines Wärmedämm-Verbundsystems, bei dem die Dämmplatten direkt auf der Außenwand montiert werden, entfallen zum Beispiel Putzabschlagen und Neuverputz. Auch wenn das Dach neu eingedeckt werden muss, bietet sich gleichzeitig eine zeitgemäße Dämmung der Dachschrägen an.
Viele Ausnahmen
Die EnEV verlangt diese Energie sparenden Nachbesserungen zusammen mit einer Sanierung, ist aber letztlich nicht konsequent: Sie befreit Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern, die selbst in den Häusern wohnen, von der Pflicht, vor dem 1. Oktober 1978 eingebaute Heizkessel bis zum 31. Dezember 2006 auszutauschen. Auch um die Dämmung der obersten Geschossdecke kommen die Selbstnutzer herum. In diesem Fall hoffen die Macher der EnEV einmal mehr auf Einsicht und Interesse der im Haus Wohnenden, durch einmalige Investitionskosten fortlaufend Kosten für die Heizwärme einsparen zu können.
Bei einer „Lebensdauer“ von höchstens 30 Jahren müssen viele von den zunächst verschonten Altkesseln sowieso bald neueren und sparsameren Platz machen – wegen größerer Schäden, umfangreicher Reparaturen und enormen Energieverbrauchs. Die vergangenen Jahre zeigen aber auch, dass staatliche Vorschriften und Kontrollen die Sanierung alter Häuser weit weniger mobilisieren als attraktive, zinsgünstige Förderprogramme.
In Deutschland werden derzeit nur wenige neue Häuser gebaut. Die Möglichkeit, durch Neubauten kräftig Energie zu sparen, ist daher äußerst begrenzt. Fachleute schätzen allerdings, dass von den insgesamt rund 35 Millionen Wohnungen in Deutschland zwei Drittel auf Grund der EnEV nachgebessert werden müssten. Voraussetzung: Die Eigentümer entschließen sich freiwillig zu einer Energie sparenden Sanierung oder führen umfangreiche Modernisierungen durch, bei denen auch die Energieeinsparverordnung eingehalten werden muss. Wird das neue Niveau der Verordnung für die Altbauwohnungen zu Grunde gelegt, werden pro Jahr 38,5 Millionen Liter Heizöl beziehungsweise Kubikmeter Erdgas zu viel verheizt.
Dämmen im Neubau
Beim Neubau geht die EnEV weniger behutsam vor. Hier heißt es umdenken. Der Standard für Niedrigenergiehäuser ist jetzt Mindeststandard. Neu zu errichtende Häuser müssen demnach deutlich weniger als 70 Kilowattstunden pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr an Heizenergie verbrauchen. Oder anders gerechnet sind das 7 Liter Heizöl oder Kubikmeter Erdgas.
Der durchschnittliche Heizenergiebedarf für alle Altbauten liegt bei rund 200 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr. Verglichen damit wurde bereits durch die Wärmeschutzverordnung von 1995 der Bedarf für Neubauten auf Werte zwischen 55 und 100 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr energisch gedrückt. Um nochmals 30 Prozent darunter liegt der Standard für Niedrigenergiehäuser, der nun für Neubauten verbindlich ist. Für Passivhäuser, die noch stärker gedämmt sind und besonders die Solarenergie und andere regenerative Energiearten nutzen, gelten Bedarfswerte von rund 15 Kilowattstunden.
Moderne Heiztechnik
Künftige Bauherren können beruhigt sein: Niedrigenergiehäuser setzen weder eine exotische Hausform noch einen Verzicht auf Komfort voraus. Denn sie sind längst keine merkwürdig aussehenden Versuchshäuser mehr. Sie verlangen vom Bauherrn keine höhere Bereitschaft zum Risiko und sie sind auch wirtschaftlich vertretbar.
Stand der Technik ist es, den Brennstoff mit möglichst geringen Verlusten in Raumwärme umzuwandeln. Fachleute sprechen von der Effizienz der Heizung. Durch den Austausch von Heizkesseln, die älter als 15 Jahre sind, können oft 15 bis 40 Prozent der bislang eingesetzten Energie eingespart werden. Die Effizienz steigt. Entsprechend sinken die jährlichen Heizkosten in einem Einfamilienhaus um 150 bis 250 Euro, nachdem der Eigentümer in einen neuen Wärmeerzeuger investiert hat.
Neue Berechnung
Noch etwas Neues: Die nun geltenden Vorschriften sollen ganz wesentlich den Primärenergiebedarf eines Gebäudes begrenzen. Die Primärenergie ist die in den natürlichen Quellen wie Erdöl, Erdgas, Kohle, aber auch Uran und Wasserkraft gespeicherte Energiemenge. Dieser Energiebedarf muss in den einzureichenden Bauunterlagen für das Gebäude nachgewiesen werden. Die EnEV gibt den Planern und Architekten unterschiedliche Nachweisverfahren in die Hand. Diese Rechenverfahren sind meist recht kompliziert, schwer zu durchschauen und ohne Computerhilfe kaum machbar.
Das Schaubild „Vom Rohöl zur Raumwärme“ zeigt die Zusammenhänge. Der Bedarf an Primärenergie nimmt ab, wenn die ins Haus gelieferte Endenergie, also Erdgas, Heizöl, Strom oder Fernwärme, mit möglichst geringen Verlusten zum Heizen und fürs Warmwasser genutzt werden kann – und diese teuer erzeugte Wärme wegen des guten Wärmeschutzes schließlich nicht so schnell aus dem Haus entweichen kann.
Darüber hinaus verlangt die EnEV, die Verluste aller vorgelagerten Prozesse – außerhalb des Gebäudes – ins Rechenverfahren einzubeziehen. Energieverluste entstehen zum Beispiel bei Förderung, Transport und Verteilung der Energieträger und bei der Umwandlung von Primär- in Endenergie.
Mit welchen Mitteln der nachzuweisende Primärenergiebedarf eines Hauses letztlich niedrig gehalten wird, lässt die Verordnung offen. Der Bauherr oder Hausbesitzer kann selbst entscheiden, ob er eine besonders sparsame Heiztechnik, zum Beispiel einen Brennwertkessel, einsetzt oder einen Dämmstoff mit extrem guter Dämmwirkung nutzt. Kostengünstige und energetisch sinnvolle Lösungen ergeben sich aber fast nur durch die Kombination dieser beiden Techniken. LOTHAR BECKMANN
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