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Den Rechten die Show vermasselt

Lübecker SchülerInnen behindern erfolgreich Nazidemo  ■ Von Peter Müller und Andreas Speit

Den 30. März in Verbindung mit Lübeck werden Norddeutschlands Faschisten schnell vergessen wollen. Nicht nur historisch, sondern auch aktuell. Der Versuch der militanten Neonaziszene um das „Bündnis Rechts Lübeck“, die Feierlichkeit der Stadt zum Gedenken an das Bombardement am 30. März 1942 für einen großen öffentlichkeits-wirksamen Auftritt zu nutzen, ist am Sonnabend gründlich misslungen. Der mickerige Aufmarsch des rechten Mobs wurde nach einem Spießrutenlauf durch eine lautstarke Gegendemonstration sogar vorzeitig von der Polizei abgebrochen.

Das rechte Bündnis um Jürgen Gerg und Dieter Kern stand auch intern allein da: Die Hamburger Nazi-Chefideologen Christian Worch und Thomas Wulff waren nicht erschienen – nur ein paar Abgesandte des Hamburger Sturm zeigten Präsenz. Dabei hatten die Ewiggestrigen mit dem 30. März 1942 ein Thema aufgegriffen, mit dem sie durchaus populistisch hätten punkten können: „Alliierter Terror seit 1943: Hamburg – Dresden – Hiroshima – Vietnam – Afghanistan.“

In seiner Rede versuchte Reinhart Eggert, Ex-DVU-Bürgemeisterkandidat in Lüdersdorf bei Lübeck, einen Bezug herzustellen zwischen der Bombardierung 1942 und der Besetzung der palästinensischen Autonomie-Gebiete durch israelisches Militär. Dann schwadronierte er über den „alliierten Terror“ auf Flüchtlingsschiffe zum Ende des 2. Weltkrieges: „Das hatte nichts mit der Befreiung vom Hitlerfaschimus zu tun.“

Gerade einmal 60 Nazis hörten zu und zogen anschließend zu vermeintlicher Trauermusik vom Lübecker Bahnhof zum Holstentor, abgeriegelt von einem Großaufgebot an Polizei mit Gittern, Wasserwerfern, gepanzerten Fahrzeugen und Hundestaffeln. Die geplante Umrundung des Lübecker Wahrzeichens musste abgebrochen werden, weil 400 DemonstrantInnen – das Gros bildeten 300 SchülerInnen – die Straßen säumten und lautstark klarstellten: „Ob Ost, ob West, nieder mit der Nazipest.“

Dabei bekamen die AntifaschistInnen die Strategie der „niedrigen Einschreitschwelle“ zu spüren, die Lübecks Polizeidirektor Jürgen Anhalt angekündigt hatte: Immer wieder brachen Greiftrupps in die Gegendemonstration, um einzelne SchülerInnen mit besonderer Härte aus der Menge zu greifen – wenn zuvor vielleicht etwas Obst und Gemüse oder leere Sunkistpa-ckungen aus ihrem Umfeld in Richtung Nazi-Route geflogen waren.

Davon unbeirrt gelang es aber immer mehr GegendemonstrantInnen, die Polizeibarrieren zu umgehen, so dass die Abschlusskundgebung vor dem Bahnhof für die Nazis im Debakel endete. Die Rede von NPD-Vorständler Jörn Lemke ging unter in Gepfeife und spottenden Sprechchören: „Stalingrad, Stalingrad“. Die Sprüche der Nazis waren kaum noch zu vernehmen – und wurden diesen dennoch zum Verhängnis: Um 14.16 erklärten Polizei und Staatsanwaltschaft „wegen aufhetzerischer Parolen“ die Versammlung für „aufgelöst“.

Schon während des Marsches hatte die Polizei eine Auflösung erwogen, weil mehrfach „Les Preludes“ von Franz Liszt ertönte. Diese Fanfarenmusik war im Faschismus immer gespielt worden, wenn sich das Führerhauptquarier über den Volksempfänger oder Lautsprecher für „wichtige Sondermeldungen“ an das Volk wandte.

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