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Funkmasten in der Wohnung

Wer sich ein schnurloses Telefon kauft, holt sich Radiowellen ins Haus, so stark wie von einem nahen Mobilfunkmast. Alte Geräte belasten weit weniger mit Elektrosmog als die neuen digitalen. Wichtig ist, die Basisstationen richtig aufzustellen

von MATTHIAS URBACH

Der Mobilfunkstandard UMTS bringt Unruhe ins Land: Funkmasten sprießen auf den Dächern wie Maiglöckchen auf einer Wiese. Allein bis 2003 sollen an 10.000 bis 15.000 neuen Orten Masten aufgestellt werden. Oft bilden sich Bürgerinitiativen gegen die ampelgroßen Sendestangen, aus Sorge vor der zusätzlichen Strahlenbelastung durch einen Mobilfunksender. Doch nur wenigen ist klar, dass sie zuweilen selbst ihre Wohnung viel stärker berieseln: mit einem schnurlosen, digital arbeitenden Telefon.

Genau wie das Handy braucht auch das Schnurlose eine Basisstation, einen kleinen Sender. Bislang wurden die Emissionen dieser kleinen Tischgeräte nicht unter Praxisbedingungen untersucht. Nun hat das renommierte nova-Institut im Auftrag der Grünen nachgemessen, wie stark diese Geräte nach dem heute üblichen DECT-Standard (von Digital Enhanced Cordless Telecommunications) strahlen. Fazit der Studie: „Selbst eine Mobilfunkstation auf dem Nachbarhaus führt häufig zu geringeren Belastungen als die DECT-Basisstation in der eigenen Wohnung.“

Nach den Messungen, führt das Institut weiter aus, sind Basisstationen „die wesentliche Quelle für hochfrequente elektromagnetische Strahlung“. In kleinen Räumen oder einfach nahe dem Hauptgerät würde die Strahlungsleistung bis zu doppelt so hoch liegen wie die vom Institut zur Vorsorge empfohlenen Grenzwerte. Das Problem der DECT-Basisstation ist, dass sie rund um die Uhr senden, ganz egal, ob telefoniert wird oder nicht.

Dennoch möchte Michael Karus, Geschäftsführer des Instituts, „keine Panik“ machen. „Wir raten nicht von diesen Telefonen ab“, sagte er der taz. „Wir sagen bloß: Stellt sie richtig auf!“ Karus empfiehlt, die Basisstationen in „einigen Metern Abstand“ von Orten auszustellen, an denen man sich viel aufhält. Auf keinen Fall sollte man das Gerät auf dem Schreibtisch aufstellen oder im Schlafzimmer. Nach Möglichkeit sollte es sich im Flur oder der Abstellkammer befinden. „Ich habe selber so ein Telefon“, ergänzt Karus. Der Rat gilt übrigens nicht für die Telefone selbst: Die Handgeräte strahlen nur beim Telefonieren – und das auch deutlich weniger als etwa normale Handys.

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) zeigte sich auf Nachfrage der taz nicht überrascht von den Ergebnissen. Allerdings weist es darauf hin, dass die vom nova-Institut gemessenen Werte „erheblich“ unter den gesetzliche Grenzwerten liegen, „so dass von einer Gefährdung der Nutzer von DECT-Geräten nicht ausgegangen werden kann“. Die gesetzlichen Grenzwerte sind allerdings umstritten; sie schließen lediglich die Möglichkeit aus, dass sich menschliches Gewebe überhitzt. Die Möglichkeit, dass etwa Nervensignale beeinträchtigt werden könnten oder andere so genannte „nicht thermische“ Effekte auftreten, werden nicht berücksichtigt. Zwar gibt es Studien, die solche Effekte vermuten lassen. Beweise gibt es allerdings nicht.

Um auf der sicheren Seite zu sein, hat die Schweiz deshalb ihre Grenzwerte für Wohnräume um den Faktor 100 tiefer angesetzt – auf etwa den Wert, den auch das nova-Institut empfiehlt. Obwohl das BfS eine Gefährdung ausschließt, empfiehlt es ebenfalls, vorsorglich Strahlung zu vermeiden: „Deshalb ist die Empfehlung, von DECT-Basisstationen soweit möglich Abstand zu halten, zu unterstützen“, so das BfS.

Bei DECT handelt es sich um eine neue Digitaltechnik, die ähnlich wie beim Handy in kurzen intensiven Pulsen funkt. Der Standard löst seit ein paar Jahren die alten nach analoger Technik (CT1+) funktionierenden Telefone ab. Das Ärgerliche ist, dass die neuen Telefone zwar besser klingen und abhörsicher sind, aber deutlich stärker strahlen als die alten CT1+ -Modelle – vor allem weil die Basisstation kontinuierlich sendet, selbst wenn das schnurlose Telefon ausgeschaltet wurde.

CT1+ -Modelle, die ausschließlich während der Telefonate senden, sind inzwischen fast völlig vom Markt verschwunden. Nur eine Hand voll No-Name-Firmen vertreiben noch diese Geräte, deren Betriebserlaubnis 2008 ausläuft. Trotzdem sind sie eine geeignete Alternative.

Bleibt für vorsichtige Schnurlos-Fans zweierlei zu wünschen: Dass die CT1+ -Lizenz verlängert wird. Und dass die Hersteller endlich DECT-Telefone bauen, die ohne Dauersenden auskommen. Das würde auch Energie sparen.

Übersicht erhältlicher CT1+ -Telefone unter: www.baubiologie.net/docs/ct1plus.html Zu Grenzwerten: www.nova-institut.de/es-info-grenzwerte.htm

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