: Frühjahrsputz unter der Kuppel
Die neue berlinische Architektur stellt Fensterputzer vor neue Herausforderungen – besonders die Genossenschaftsbank. Sie müssen mehr als schwindelfrei sein
Das Wort Putzkolonne ist eine Beleidigung für die muskelbepackten Männer im Lichthof der Deutschen Genossenschaftsbank, trotz der vielen Eimer und Wischlappen zu ihren Füßen. Wer im Vorzeige-Bau des amerikanischen Stararchitekten Frank O. Gehry Fenster putzen will, sollte mehr können als wienern und polieren. Er muss schwindelfrei sein und am besten erfahren wie ein Bergsteiger. Denn das neue, gläserne Berlin hat seine Tücken: Die Architektur ist so eigenwillig, dass bei manchen Gebäuden nur Höhenarbeiter mit dem Frühjahrsputz fertig werden.
Auf der Empore der Bank am feinen Pariser Platz sieht es also nicht zufällig aus wie im Lager eines Bergsteiger-Basiscamps. Seile, Karabinerhaken und Schutzhelme liegen neben dem Putzzeug. Unter der gläsernen Kuppel, die sich wie ein riesiger Walfischrücken rund 30 Meter über dem Steinboden wölbt, baumelt Höhenarbeiter Olaf Bürger an einem abenteuerlichen Gestell mit Seilen, ein Putztuch in der Hand.
Bürgers Wischtest spricht nicht nur für 600 dreckige Fensterscheiben in Dreicksform. Er enttarnt auch eine dicke Staubschicht auf Frank O. Gehrys gepriesener Stahlskulptur im Lichthof, einem Touristenmagnet in der Nachbarschaft des Brandenburger Tors. Olaf Bürger hat eine kleine Firma für komplizierte Kletterarbeiten und hofft auf einen Auftrag. „Dieser Markt ist erst mit dem verrückten Bauen gekommen“, sagt der 34-Jährige.
Die Bank ist kein Einzelfall in Berlin. Uwe Gimmerthal kommen gleich drei Neubauten in der Hauptstadt in den Sinn, die nicht mit herkömmlichen Mitteln sauber zu halten sind: „das Innere des Sony-Centers, die Passagen in der Friedrichstraße und die Galerie Lafayette“. Gimmerthal ist Generalsekretär des Interessenverbandes für so genanntes seilgestütztes Arbeiten in Schwäbisch Hall.
Auf Architekten ist der Fachmann nicht immer gut zu sprechen. Zwar muss die Wartung eines Neubaus im Bauantrag geklärt sein, „doch es gibt genügend Ausnahmegenehmigungen“, erläutert Gimmerthal. Nicht immer eignen sich die neuen Perlen der Architektur dann für herkömmliche Fensterputzer.
Von Architekt Gehry ist ein viel sagender Satz zur Reinigungsfrage überliefert: „Wenn ihr das nicht selber hinkriegt, bringe ich meine Indianer mit“, soll er nach der Fertigstellung seiner rund 127 Millionen Euro teuren Genossenschaftsbank gesagt haben. Immerhin hinterließ er kleine Löcher in den Stahlrahmen der Glasdecke – für Karabiner. DPA
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