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Zögerliche Zeichen des Zorns

Die Demonstrationen auf den Straßen von Kairo und Amman erfüllen einen außenpolitischen Zweck

Ein Abruch der diplomatischen Beziehungen zwischen der arabischen Welt und Israel wäreder nächste Schritt

KAIRO taz ■ Jeden Tag kommen sie per Satellitenschaltung in arabische Wohnzimmer und Kaffeehäuser: Bilder von Massenverhaftungen in palästinensischen Städten, Augenzeugenberichte von Exekutionen und ein Palästinenserchef, der bei Kerzenlicht zum Durchhalten aufruft. Für die meisten Araber Sequenzen der Demütigung, die sie machtlos mit ansehen müssen.

Auf Demonstrationen überall in der arabischen Welt beklagten in den letzten Tagen Zehntausende das Schweigen und die Untätigkeit ihrer Regimes. „Die offizielle arabische Reaktion ist beschämend und armselig“, sagt der ägyptische Schriftsteller Gamal al-Ghitani, der zusammen mit einer Gruppe ägyptischer Schriftsteller, Schauspieler und Universitätsprofessoren am Dienstag dem ägyptischen Außenminister eine Petition überreicht hat, in dem die Gruppe ein sofortiges Einfrieren der diplomatischen Beziehungen und die Ausweisung des israelischen Botschafters aus Ägypten forderte. „Wir müssen jetzt vor allem in Richtung Washington ein Zeichen setzten, dass die Situation ernst ist“, sagt auch der ägyptische Politologe Muhammad Sid Ahmad.

Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen der arabischen Welt und Israel scheint für die meisten der nächste logische Schritt. Nur zwei arabische Staaten, Ägypten und Jordanien, unterhalten derzeit diplomatische Beziehungen zu Israel. In dem Golfemirat Katar gibt es ein israelisches Handelsbüro. Für die Regierung in Kairo und Amman wäre ein vollkommener Abbruch der diplomatischen Beziehungen problematisch, weil dies einen vertraglichen Bruch der Friedensabkommen bedeuten würde, die beide Länder mit Israel unterzeichnet haben.

Im ägyptischen Außenministerium zögert man auch noch, weil mit dem Ende der diplomatischen Beziehungen auch die politischen Gesprächskanäle austrocknen würden, die Ägypten bisher im Nahostkonflikt stets eine besondere Vermittlerrolle gegeben hatten. Im Moment wird dort diskutiert, welche Maßnahmen unterhalb dieser Schwelle ergriffen werden könnten. Erwogen wird, den israelischen Botschafter in Kairo zur unerwünschten Person zu erklären.

Es gibt sowohl die offiziellen Kundgebungen in Ländern wie Irak, Syrien oder Libyen, als auch jene, die von der studentischen Opposition in Jordanien oder Ägypten auf die Beine gestellt werden. Bedeutend ist, dass die Regierungen in Ägypten und Jordanien in den letzten Tagen grundsätzlich Demonstrationen zugelassen haben. In beiden Ländern herrscht eigentlich ein Demonstrationsverbot.

Für diese Regierung, so Sid Ahmad, erfüllten diese Demonstrationen einen außenpolitischen Zweck. Damit wollen die Regierungen in Kairo und Amman unter Beweis stellen, wie geladen die Stimmung auf der Straße ist. Mit den Demonstrationen senden sie an ihre Verbündeten in Washington die Botschaft, dass Eskalationen ein durchaus realistisches Szenario sein könnten. Ein gefährliches Spiel: Es ist nicht leicht, den Ärger der Straße in geregelte Bahnen zu lenken. KARIM EL-GAWHARY

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