: Scharon will Arafat verbannen
Israels Regierungschef erlaubt dem Palästinenserpräsidenten die Ausreise – wenn er nicht zurückkehrt. Heftige Kämpfe nach der Besetzung Bethlehems durch die Armee. EU-Außenpolitiker Solana verlangt Ruhestand für Jassir Arafat und Ariel Scharon
JERUSALEM/BERLIN ap/dpa/taz ■ Israels Regierungschef Ariel Scharon ist offenbar bemüht, Jassir Arafat aus den palästinensischen Gebieten zu verbannen. Erstmals sprach Scharon gestern davon, den Palästinenserpräsidenten ins Exil zu schicken. Gegenüber dem EU-Nahostbeauftragten Miguel Moratinos sagte er, Arafat dürfe aus Ramallah ausreisen, dann aber nicht mehr zurückkehren. „Ich habe ihm gesagt, sie können ihn mit einem Hubschrauber mitnehmen, wenn sie wollen“, sagte Scharon im Rundfunk.
Die israelische Zeitung Haaretz berichtete gestern, Außenminister Schimon Peres erwäge, Arafat die Ausreise in ein anderes Land zu gestatten, falls dieses bereit sei, ihm Asyl zu gewähren. Arafat ist seit der Besetzung des Großteils seines Amtssitzes in Ramallah durch die israelische Armee vollständig isoliert. Israel hat ihn zum „Feind der gesamten freien Welt“ erklärt.
Der palästinensische Planungsminister Nabil Schaath wies den Vorstoß Scharons zurück. „Arafat wird Palästina nie verlassen“, sagte er. Eher werde der Präsident in Ramallah zum Märtyrer für sein Volk. Israel hat zugesichert, Arafat nicht physisch anzugreifen.
Die Hausdurchsuchungen in Ramallah dauerten unterdessen an. Bisher wurden nach israelischen Angaben 700 Palästinenser festgenommen. Israel verwehrte westlichen Diplomaten den Zutritt nach Ramallah. Journalisten wurden aufgefordert, die Stadt zu verlassen.
Israelische Truppen griffen gestern die palästinensische Geheimdienstzentrale in Beitunja mit Panzern und Hubschraubern an. Dabei wurde das Gebäude in Brand geschossen. Etwa 20 Menschen sollen verletzt worden sein. Mehrere hundert Palästinenser ergaben sich.
In fünf palästinensischen Städten herrschten gestern kriegsähnliche Zustände. Dabei wurden mindestens sechs Menschen erschossen. In Bethlehem war in der ganzen Stadt Maschinengewehrfeuer zu hören. Ein französischer Priester wurde von Soldaten getötet, sechs Nonnen, die sich mit ihm in der Kirche Santa Maria aufgehalten hatten, verletzt. Palästinenser ermordeten drei Landsleute, die sie der Kollaboration verdächtigten. Die Zahl der Opfer des Anschlags in Netanja zum Pessach-Fest, dem Auslöser der Besetzung, hat sich unterdessen auf 25 erhöht.
Ohne Reaktion blieb ein Beschluss des UN-Sicherheitsrats vom Montag, der Israel zum sofortigen Rückzug aus den palästinensischen Autonomieregionen aufforderte. US-Außenminister Powell sprach sich gegen eine Ausweisung Arafats aus. Spanien, das die EU-Ratspräsidentschaft innehat, bestellte Israels Botschafter ein und verlangte den Abzug der israelischen Soldaten. Außenminister Fischer forderte internationalen Zugang zu Arafat. Er rief dazu auf, „umgehend“ mit Waffenstillstandsverhandlungen zu beginnen.
Wenig diplomatisch verlangte der EU-Beauftragte für Außenpolitik, Javier Solana, sowohl Arafat als auch Scharon sollten in den Ruhestand treten. „Es sind beides keine Heiligen“, sagte Solana. KLH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen