Euer Ficken rockt

Der Abend, an dem die Bauchdecke vibrierte: Jon Spencer und The Yeah Yeah Yeahs aus „Neew Yoooork Ciityyyy!!!!“ kickten das ColumbiaFritz auf unnachahmlich coole Art

Bei Mungo Jerry sind die Koteletten zum Schluss ja fast am Kinn zusammengewachsen. Jon Spencer hatte dafür bis neulich noch, das jedenfalls schwört die Labelfrau beim Konzert im ColumbiaFritz, einen zottigen, tiefschwarzen Bin-Laden-Bart. Bei in die besten Jahre gekommenen Hipstern wie ihm weiß man natürlich nicht, ob aus politischem Subtext oder purem, coolem Understatement.

Denn wenn irgendetwas verdammt cool ist, dann ist es immer noch die Art, wie die Blues Explosion (ohne Bin-Laden-Bart) rockt. Wirklich rockt übrigens, was auf der neuen Platte die Tieftöner und beim Live-Konzert die Ohrstöpsel sprengt: Die machen plötzlich einfach Rock ’n’ Roll! Die haben frech diese billigen Keith-Richards-Gitarrenriffs, „Stray Cat Blues“-Arrangements, die „Aaaaaawl riiiight!!“-Attitude geklaut, dem ganzen Schmu-Koteletten angeklebt, mit gutturalen „Blues Explosion“-Brüllern garniert, und schon ist der Scheiß wieder heiß.

Judah Bauer spielt mit Al-Pacino-Gesichtsausdruck in seiner vietnamesischen Puff-Rock-Joppe Rhythmus, Russel Simmins haut die neu gewonnenen Pfunde, die der nervöse Spencer verloren hat, so dermaßen auf sein Schlagzeug, dass es knallt. Sprengt. Spencer trägt eine beknackte, schwarze Lederhose an den spillerigen Rockstar-Beinen, und trotzdem will jedeR in der ausverkauften, verschwitzten Halle den Blues Explosion Man. Man könnte das Ganze auch unter „Der Abend, an dem die Bauchdecke vibrierte, obwohl keiner Bass spielte“ verbuchen. Bei den Yeah Yeah Yeahs, auch aus „Neew Yooooork Ciityyyyy!!!!“ reichten nämlich Power und Punkrock von Sängerin, Gitarristen und Schlagzeuger ebenfalls aus, um alle an die Wand zu quetschen. Und apropos: fragt die klasse Sängerin zwischen den klasse X-Ray-Spex-Generators-Nummern doch glatt, was „You fucking rock!“ auf Deutsch heißt. Was soll man da sagen? Ihr rockt verfickt? Dein Ficken rockt?

Und Lust hatte die Blues Explosion! Lässt sich zwar – nach fast allen Stücken der neuen Platte „Plastic Fang“ –, zur schaurigen Rückkopplung des Taschen-Theremin etwas länger bitten, aber dann kommen sie wieder und spielen doch noch ein bisschen altes Zeugs. „Sweat“ von der „Orange“-Platte zum Beispiel. Natürlich, typisch ernsthafte Spencer-Hipness ohne auch nur den Schatten eines Lächelns: Sie WOLLEN nicht gefallen, vor allem nicht gefällig sein, darum wird sich partout nicht ans Publikum angebiedert. Weder mit „Hits“ noch mit Gestik, Mimik oder Herumgeflirte. Obwohl, für Spencers Verhältnisse ist so ein aus den Tiefen seiner mysteriösen Kehle ausgestoßenes „Thank you friends, we feel very welcome“ fast schon eine schmachtende Liebeserklärung: Der Mann offenbart sein Herz! Als Gitarrist seiner Frau Christina bei Boss Hog war er im letzten Jahr viel mürrischer, und mit der Blues Explosion sind solche Gefühlsausbrüche ohnehin selten.

Ab und an klingt die Blues Explosion vorgestern im ColumbiaFritz nicht nur nach Rock Explosion, sondern nach Punkrock. Was an sich ja prima ist. Lang lebe MC5. Aber, gefährlicher, manchmal auch nach Rockpunk. Das schabt schon scharf an Bluesrock mit dickem Bauch entlang, keine Frage. Und macht die Stücke teilweise kein bisschen mehr experimentell, sondern nur noch brachial – was wiederum den Mäklern gefallen müsste, die der Blues Explosion ohnehin zu starke Verkopftheit, zu repräsentative Intellektualität und zu wenig tiefe Frequenzen in geraden Mitswing-Rhythmen vorwerfen. Obwohl, und das soll wirklich das letzte Mal sein, dass dieses Thema angesprochen wird, unter diesen Mäklern von jeher viele Männer gespottet wurden, die nur neidisch auf die Art sind, wie Jon Spencer Hemden tragen kann. JENNI ZYLKA