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Banken drehen Herlitz den Strick

Ein weiteres Traditionsunternehmen ist pleite: Weil die Banken ihre Kreditlinie nicht verlängert haben, hat der Berliner Büroartikelkonzern Insolvenz beantragen müssen. 3.000 Arbeitsplätze sind in Gefahr. Jetzt hoffen alle auf den großen Investor

aus Berlin NICK REIMER

Auch wenn die Sache mit Leo Kirch bei Redaktionsschluss dieser Seite noch nicht entschieden war, steht schon fest: Der Frühling des Bundestagswahljahres 2002 wird als Pleitefrühling großer Traditionsunternehmen Geschichte machen. Nach Holzmann, dem Teppichgroßhändler Frick und Fairchild Dornier hat nun der Berliner Papier- und Bürowarenhersteller Herlitz Insolvenz beantragt. Nach dem Scheitern der Gespräche über eine Landesbürgschaft am Dienstagabend sei man zum Amtsgericht Charlottenburg gegangen, teilte der Vorstand mit. Neben 11.000 Bauleuten, 1.350 Teppichverkäufern und 3.600 Flugzeugbauern bangen damit jetzt auch 3.000 Herlitzer um ihren Job.

Was 1904 mit Briefumschlag und Tintenfass als Familienunternehmen begann, mauserte sich nach dem Mauerfall zum führenden Bürowarenhersteller Europas. Allein mit dem Geschenkpapier, das Herlitz verkaufte, könnte man die Erde zweimal einwickeln. Im Umsatz-Rekordjahr 1997 erwirtschafteten rund 5.400 Mitarbeiter mit über 10.000 offerierten Artikeln 1,4 Milliarden Mark. Das Wachstum allerdings war mit einer aufwändigen Einkaufstour verbunden: eine russische Papierfabrik, Produktionsstätten im polnischen Poznań und im tschechischen Most. Das Kaufen wuchs Herlitz langsam über den Kopf.

Drei Jahre nach dem Rekord musste Herlitz schon einen dreistelligen Millionenverlust verbuchen. Sanierungspläne, Umstrukturierungen, Massenentlassungen, Führungswechsel – Herlitz konnte sich nicht erholen. Der Aktienwert des Unternehmens verlor seit 1994 über 90 Prozent. Bereits vor Jahresfrist war Herlitz nur knapp an der Insolvenz vorbeigeschrammt.

Nun haben die Banken, die mittlerweile zu 70 Prozent Herlitz-Eigner sind, den Geldhahn zugedreht. Einen neuen Kredit in Höhe von 30 Millionen Euro wollten sie nur freigeben, wenn die Länder Berlin und Brandenburg für 20 Millionen Euro bürgen. „Sehr weit“ sei man den Banken entgegengekommen, hatte Brandenburgs Ministerpäsident Manfred Stolpe (SPD) erklärt – im brandenburgischen Falkensee steht das Herlitz-Logistikzentrum – und 9 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Weil 9 aber nicht 20 sind, versagten die Banken neue Kredite.

Der Gang in die Insolvenz muss allerdings nicht zwangsläufig das Ende der Traditionsfirmen bedeuten. Die seit Anfang 1999 gültige Insolvenzordnung setzt deutlich stärker auf Sanierung als das bis dato gültige Konkursrecht. Im Falle Herlitz wurde Peter Leonhardt zum Insolvenzverwalter bestimmt, der bereits in Berlin und Brandenburg hunderte von Firmenpleiten abwickelte. Mit so viel Erfahrung im Rücken hoffen die Herlitzer auf Rettung. Schließlich, so der Betriebsratsvorsitzende Christian Petsch, habe man im ersten Quartal „über Plan“ verdient. „Wenn Herlitz sich durch den Insolvenzantrag von Belastungen befreien kann, wird es interessant für andere Unternehmen.“

www.herlitz.de

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