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Tote an der Geburtskirche

Palästinenser verschanzen sich in der Bethlehemer Geburtskirche Jesu. Israelische Panzer umstellen das Gotteshaus. Tote liegen vor der Kirche. Vatikan bestellt die Botschafter Israels und der USA ein

BETHLEHEM/JERUSALEM rtr/dpa/ap Die Geburtskirche Jesu in Bethlehem ist gestern zum Schauplatz erbitterter Auseinandersetzungen zwischen israelischen Militärs und Palästinensern geworden. Bis zu 400 Palästinenser verschanzten sich in der Kirche. Ein Teil von ihnen soll schwer bewaffnet sein. Nach israelischen Angaben wurde aus dem Gotteshaus geschossen. Dutzende Kämpfer hätten sich in dem Gebäude verschanzt und zielten auf die Soldaten. Laut palästinensischen Angaben starben vor der Kirche zwei Palästinenser durch Schüsse der Israelis. Vor der Kirche lagen vier Tote, die am Dienstag erschossen worden waren.

Panzer umstellten gestern die Geburtskirche. Den israelischen Soldaten ist nach Regierungsangaben befohlen worden, nicht auf die Kirche zu schießen. Israel erklärte die Stadt Bethlehem zum militärischen Sperrgebiet und verwehrte einer Kirchendelegation den Zugang. Der katholische Patriarch von Jerusalem bot den in der Kirche ausharrenden Palästinensern Kirchenasyl an. Das „Zufluchtsrecht“ gelte auch für bewaffnete Kämpfer, sagte Patriarch Michel Sabbah. Die israelische Regierung verurteilte dagegen die Besetzung der Geburtskirche als „zynische Ausbeutung“ des Kirchengebäudes.

Der Vatikan hat die Botschafter Israels und der USA zu Gesprächen über die „dramatische Lage“ in Bethlehem einbestellt. Auch der Vertreter der Arabischen Liga beim Vatikan wurde zu den Gesprächen gebeten, die laut Vatikan ein Ende „der wahllosen terroristischen Handlungen“ zum Ziel hätten. Nach israelischen Angaben hat sich der Vatikan für die Verbreitung einer Falschmeldung vom Dienstag entschuldigt, nach der ein katholischer Priester in Bethlehem erschossen worden ist.

Die offizielle vatikanische Tageszeitung L’Osservatore Romano griff die israelische Besetzung scharf an. Das Heilige Land sei täglich „das Opfer einer Aggression, die zur Vernichtung wird“, hieß es in der gestrigen Ausgabe des Blattes. Die „von Israel unternommenen Angriffe“ dienten nicht der Abwehr des Terrorismus, sondern seien „gegen Menschen, Gebiete und heilige Stätten“ gerichtet.

Israelische Panzer rückten gestern auch in Dschenin und in Salfit bei Nablus ein. In beiden Orten stießen die Truppen auf Widerstand. Mindestens neun Menschen wurden getötet. In Ramallah blieb der Amtssitz von Palästinenserpräsident Jassir Arafat umstellt. Der Komplex wurde mit Stacheldraht umzäunt. Die Armee verhinderte gestern mit Tränengas, dass mehrere hundert israelische und palästinensische Demonstranten nach Ramallah vordringen konnten.

Ägypten stellte gestern alle Kontakte zu Israel vorläufig ein. Die diplomatischen Beziehungen werden jedoch nicht abgebrochen. Bundeskanzler Schröder forderte einen Waffenstillstand und den Rückzug der israelischen Truppen. Am gestrigen Abend wollten die EU-Außenminister auf einer Sondersitzung in Brüssel über die explosive Lage in Nahost beraten. In Washington erklärte US-Außenminister Colin Powell, Israel sollte die Offensive rasch beenden. Die USA bestünden jedoch nicht auf einem sofortigen Rückzug der israelischen Truppen. KLH

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