: Die Null wird nicht stehen
Trotz drohender Insolvenz der KirchGruppe planen beide Hamburger Profifußballclubs weiterhin mit dem Geld aus den Senderechten ■ Von Oke Göttlich und Marcus Vogt
„Wir stehen hinter Kirch, so lange wie möglich“, sagt Reiner Calmund vom Tabellen-Führer Bayer Leverkusen. Und auch Bayern-Manager Uli Hoeneß macht sich trotz der Insolvenzgerüchte um die KirchGruppe keine Sorgen um die Fernsehgelder, an denen die Bundesliga hängt wie an einem Tropf. Die beiden Klassenprimadonnen haben gut reden, wenn es um Geld und damit die nackte Existenz vieler Fußballclubs auf Profiebene geht – sie haben ja genug davon. Andere warten sehnsüchtiger auf die nächste Ratenzahlung über 100 Millionen Euro, die den neusten Gerüchten zu Folge weder im Mai noch in einem anderen Monat kommen wird – zumindest inklusive einer Unterschrift von Leo Kirch.
Der FC St. Pauli ist einer von ungefähr zehn Sorgenvereinen in der ersten Liga und 18 in der zweiten Bundesliga, die ohne TV-Gelder in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnte. Geschäftsführerin Tatjana Groeteke betätigt, „das wir unsere laufenden monatlichen Kosten nicht so locker sitzen haben.“ Eine Situation, die beim HSV anders aussieht. „Sämtliche Zweitligaclubs und auch unser Nachbar sind sehr abhängig von den TV-Geldern. Der HSV glücklicherweise nicht“, betont Sportchef Holger Hieronymus.
Zwar beruft sich der FC St. Pauli auf die verfassten Verträge mit der Deutschen Fußball Liga (DFL), die eine Summe von 20 Millionen Mark für die laufende Spielzeit für den Aufsteiger vorsieht, doch ist die DFL nur ein marketingstrategischer Zusammenschluss der 36 Profivereine aus Liga Eins und Zwei. Sollte Kirch also zahlungsunfähig sein, müssten laufende Kosten wie Spielergehälter auf anderem Wege bezahlt werden, als über die DFL. Ein Solidaritätsfond der größeren Vereine, um im Fall der Fälle die Pleite vieler finanzschwächerer Vereine abzuwenden, steht derzeit zur Diskussion.
Dass im Falle einer Insolvenz des Kirch-Konzerns Bund und Länder mit einer Bürgschaft versuchen wollen, die Bundesligaclubs aus dem Strudel eines möglichen Konkurses zu befreien, hat für viel Aufregung gesorgt. Alfred Tacke, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, schließt nicht aus, mittels einer Bankbürgschaft eine „Vorsorge zu treffen, damit die Vereine genügend Zeit haben, ihre Senderechte neu zu vermarkten“. Allerdings müssten die Vereine das Geld wieder zurückzahlen. „Es geht nicht um staatliche oder Steuergelder, auch nicht um Zuschüsse“, erklärt DFL-Chef und HSV-Präsident Werner Hackmann. Für Axel Müller, den Chef der Haushaltsabteilung beim Bund der Steuerzahler ist das eine „absurde Idee. Das ist nicht im Geringsten Aufgabe des Staates.“ Der sozialpolitische Sprecher der Hamburger CDU-Fraktion bezeichnete die Debatte um die Liquiditätsstütze als völlig „absurd“. Ähnlich sieht es auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis: „Für Schleswig-Holstein kommt das nicht in Frage.“
Bleibt die Frage für die Fußballclubs, woher nehmen, wenn nicht stehlen? „Im Sparen sind wir gut“, sagt Groeteke und auch der HSV-Sportchef Holger Hieronymus zögert nicht die zwangsläufige Folge zu benennen: „Wir werden Kosten reduzieren müssen. Aber wo ein Betrag stand, wird keine Null stehen.“
Siehe auch S. 6 und Text unten
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