: „Für die EU ist das noch nicht entschieden“
Bevor die Europäische Kommission grünes Licht gibt, ist die Risikoabschirmung bei der Bankgesellschaft nicht zulässig, sagt Europarechtler Pechstein. Die Prüfung in Brüssel kann 20 Monate dauern – solange muss der Senat warten
taz: Im Parlament hat man fast das Gefühl, nach der Abstimmung sei die Risikoabschirmung beschlossene Sache und Fakt. Für einen Beihilfenrechtler sieht das wohl anders aus.
Matthias Pechstein: In der Tat. Für die Europäische Kommission ist die Sache noch lange nicht entschieden. Das Beihilfenrecht der Gemeinschaft verlangt, dass jede beabsichtigte Einführung von Beihilfen angemeldet werden muss. Ob diese zulässig sind, entscheidet sich in einem Prüfverfahren, das bis zu 20 Monate dauern kann.
Wie sind Beihilfen überhaupt definiert – und wieso ist die Abschirmung eine Beihilfe?
Eine Beihilfe ist laut EG-Vertrag jede Art staatlicher Begünstigung für Unternehmen, die den Wettbewerb verfälscht und daher nicht mit dem gemeinsamen Markt vereinbar ist – und das ist prinzipiell verboten. Im EG-Vertrag sind von diesem Verbot aber Ausnahmen vorgesehen.
Was entscheidet denn letztlich darüber, ob Zahlungen als Beihilfe eingestuft werden?
Die zentrale Frage ist dabei immer: Würde ein privater Investor in gleicher Weise handeln? Und so wie ich die Sache verfolge, würde ein privater Investor derzeit in die Bankgesellschaft mit ihrem Immobiliengeschäft keinen Pfennig stecken.
Für wie wahrscheinlich halten Sie es denn letztlich, dass die Kommission der Abschirmung zustimmt?
Das ist schwierig abzuschätzen, weil es davon abhängt, was im Detail festgeschrieben wird.
Die Berliner Finanzverwaltung hat immer wieder auf eine schnelle Entscheidung im Parlament gedrängt. Wenn sich nun das Prüfverfahren der Kommission 20 Monate hinzieht: Kann das Land schon vorher, quasi auf Widerruf, mit der Abschirmung beginnen?
Auf keinen Fall. Eine Beihilfe darf nicht gewährt werden, bevor die Kommission sie genehmigt hat. Man muss sich immer klar machen, dass dabei ein Unternehmen künstlich am Leben gehalten wird, das durch Unfähigkeit im Management am Markt versagt hat. Konkurrenten der Bankgesellschaft haben wenig Grund, das hinzunehmen und könnten sofort klagen.
Aber bei Fällen wie dem Stahlwerk Gröditz oder dem VW-Werk in Dresden flossen Beihilfen auch schon vorher.
Was ist denn das für ein Argument? Es handelt sich hier um vorsätzliche Rechtsverstöße. Von der Evidenz des Rechtsverstoßes her ist dies nicht anders, als wenn ich auf der Straße jemanden totschlage und nachher behaupte, ich hätte nicht gewusst, dass das verboten ist.
Im Haushaltsentwurf des Landes ist der erste Teil der Abschirmung aber bereits für das nächste Jahr vorgesehen. Das wäre dann doch nicht zulässig.
Es hängt davon ab, ob die Beihilfen auch tatsächlich wirksam werden. Solange sie nur eine noch nicht nutzbare Option für die Bankgesellschaft darstellen, ist es noch kein Verstoß.
Sind denn schon Beihilfenfälle in der beabsichtigten Größenordnung von 21,6 Milliarden Euro abgelehnt worden?
Nein, aber das ist rechtlich völlig irrelevant. Das sind nur ein paar Nullen mehr oder weniger, das Prinzip bleibt das gleiche.
INTERVIEW: STEFAN ALBERTI
Matthias Pechstein (44) ist Europarechtler an der Europa-Universität Frankfurt/Oder
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