: Springers bequemer Kirchgang
Durch die Trümmer von Kirchs Imperium spaziert Springer-Chef Döpfner. Und überlegt, woher sein Verlag nun die TV-Kompetenz nehmen soll, die ihm die Banken zutrauen
„Im Herbst seines Lebens wollte er zu viel zu schnell“. Der 75-Jährige, der eine ganze fränkische Winzerkneipe „zum Lachen bringen und sich gleichzeitig eine Diabetes-Spritze in den Bauch setzen kann“. Der „alte Mann und das Mehr“ habe ein „Firmenlabyrinth aus Macht, Kredit und Schatten“ aufgebaut. Wer das alles schreibt? Springers Bild.
Etwa elf Prozent von Kirchs Senderfamilie ProSiebenSat.1 Media AG gehören dem Axel Springer Verlag (ASV). Eine der ersten Amtshandlungen von Mathias Döpfner als neuem ASV-Chef war es, seine Verkaufsoption auf diese Anteile wahrzunehmen, sprich: Springer zieht sich aus dem Fernsehgeschäft zurück. Und will dafür von Kirch 767 Millionen Euro sehen.
Für Springer nicht nur deshalb eine verführerische Summe, weil es erstmals in der Vereinsgeschichte rote Zahlen auszugleichen gilt. Für Kirch, schon damals nicht liquide, ein entscheidender Tiefschlag. Und ein Tiefschlag seitens Springer gegen den eigenen Großgesellschafter: Kirch hält 40 Prozent an Springer. Jahrelang hatte sich der konservative Medienhändler in den Zeitungskonzern eingekauft. Mit allen Tricks, die einem Kaufmann eben zur Verfügung stehen, mit Treuhändern und Stohmännern. Und so clever, dass Axel Springer Leo Kirch sogar einmal einen „Kriminellen“ nannte, der niemals die Kontrolle in seinem Hause erlangen solle. Dafür sorgte die Verlegerwitwe Friede Springer, die sich eine Mehrheit von 50,1 Prozent am ASV sicherte. Nun ist Kirch schachmatt. Und Mathias Döpfner kann sich den unerwarteten Lorbeer unters Kopfkissen legen, seinen Verlag vom querulatorischen Großaktionär befreit zu haben.
Für Kirchs Anteil an Springer – seit geraumer Zeit als Sicherheit für Kredite bei der Deutschen Bank hinterlegt – interessieren sich viele Investoren. Dass der schlimme Murdoch oder die böse Essener WAZ-Gruppe bei den netten Springers einsteigen könnten, wird Döpfner zu verhindern wissen. Und verhandelt lieber mit der bayerischen Hypo-Vereinsbank, die Kirchs Anteil an Springer für 1,1 Milliarden Euro übernehmen würde.
Banken und Insolvenzverwalter, so hört man, wünschen sich bei der Abwicklung des Kirch-Korpus umgekehrt die Beteiligung eines Unternehmens mit Kompetenz im Medienmarkt. Murdoch eben. Berlusconi, wenn’s sein muss. Und eben den ASV, der kürzlich sogar noch mit einer Erhöhung seines Anteils an der ProSiebenSat.1 Media AG von 11 auf 25 Prozent liebäugelte.
Bei Sat.1 hat Springer übrigens schon 2000 seine TV-Kompetenz bewiesen: Mit „Newsmaker“ wollte man damals gegen die „Tagesthemen“ antreten, ließ sich den Quatsch von Susan Stahnke moderieren und soff kläglichst ab. Das Format war trotz boulevardesker Synergien mit Bild nicht zu retten. ARNO FRANK
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