DIE KLAGE GEGEN DIE HOMOEHE SCHADET NICHT UND KANN NUR NÜTZEN: Ein Küsschen für Stoiber
Für ihre Verfassungsklage muss man Bayern, Sachsen und Thüringen geradezu dankbar sein. Wie die gestrige Verhandlung in Karlsruhe zeigte, besteht keinerlei Gefahr für das Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften. Vielmehr kann der Schuss der Kläger nur nach hinten losgehen. Denn in seinem Urteil, das erst in einigen Monaten erwartet wird, könnte Karlsruhe sogar den Bundestag zu Verbesserungen der Homoehe ermutigen.
Denn die klagenden Länder wiederholten nur gebetsmühlenartig, schon die bloße Existenz des neuen Gesetzes beeinträchtige den im Grundgesetz bestimmten „besonderen Schutz“ der Ehe. Worin die Beeinträchtigung aber konkret bestehen soll, blieb im Dunkeln. Schließlich wird heute nicht weniger geheiratet, und den Ehepaaren wurde auch kein einziges Recht genommen.
Auch das von den Ländern geforderte „Abstandsgebot“ zwischen Ehe und anderen Lebensformen ist sicher nicht verletzt. Schließlich haben die konservativen Länder im Bundesrat ein Ergänzungsgesetz mit mehreren eheähnlichen Regelungen gezielt verhindert. Deshalb gibt es für „Homoehen“ nun weder Steuererleichterungen noch das Standesamt als bundesweit zuständige Behörde. Damit haben die klagenden Länder unfreiwillig sichergestellt, dass ihre Klage nur scheitern kann.
Spannend ist nun, wie Karlsruhe den in den Mittelpunkt gestellten „besonderen Schutz“ der Ehe definiert. Denn damit ist nicht zwingend ein Abstand zwischen heterosexuellen Ehen und homosexuellen Partnerschaften gemeint. Schließlich bekommen immer weniger Ehen Kinder, und immer häufiger werden Kinder außerhalb von Ehen geboren. Genauso gut könnte sich der „besondere Schutz“ auch auf jede Form von Partnerschaft richten, wenn sie dauerhaft und auf gegenseitigen Beistand gerichtet ist. Der rechtliche „Abstand“ wäre dann vor allem zu Singles und selbst erklärten Lebensabschnittsbeziehungen zu halten.
Wenn Karlsruhe der zweiten Ansicht folgt, was zeitgemäß wäre, hätte dies weitreichende Auswirkungen. Dann wäre etwa schon vorab geklärt, dass auch das noch blockierte Ergänzungsgesetz verfassungskonform ist. Sogar eine völlig Angleichung von Homopartnerschaft und Heteroehe wäre dann möglich. Vielleicht ginge Karlsruhe sogar so weit, den Bundestag zum weiteren Abbau der Homodiskriminierung ausdrücklich aufzufordern – falls es nach Meinung der Richter von der Verfassung her geboten ist.
Dann aber sollte Edmund Stoiber vom Lesben- und Schwulenverband einen Orden bekommen. Oder wenigstens ein Küsschen. CHRISTIAN RATH
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