piwik no script img

Tempo für Schrempp

Auf der heutigen Hauptversammlung von DaimlerChrysler wollen die Kritischen Aktionäre Konzernchef Schrempp die Entlastung verweigern

Im Weltkonzern gibt es zwar Landminen, aber immer noch keine Rußfilter

von ANNE HERZLIEB

Jürgen Schrempp stehen schwere Stunden bevor. Auf der heutigen Aktionärshauptversammlung in Berlin muss der DaimlerChrysler-Chef mit wütenden Aktionären rechnen. Grund für den Aufruhr unter den Anlegern: Die Dividende wird seit sechs Jahren erstmals gekürzt. Sie fällt mit einem Euro pro Aktie um knapp 58 Prozent geringer aus als im Vorjahr.

Schrempps Begründung ist schlicht: Er verweist auf die weltweite Konjunkturflaute und den harten Wettbewerb in Nordamerika. Doch die Zahlen schönzureden, wird schwierig. Im vergangenen Jahr schrieb DaimlerChrysler einen Nettoverlust von 662 Millionen Euro. Das Sorgenkind ist nach wie vor die US-Tochter Chrysler, aber auch die japanische Tochter Mitsubishi. Die Aktionäre sind sauer: Allein in fünfzehn Gegenanträgen wird gefordert, Schrempp nicht zu entlasten.

Das forderte gestern auch der Dachverband der Kritischen AktionärInnen DaimlerChrysler in Berlin, der das Unternehmen zu einem radikalen Kurswechsel aufrief. Kritik übte der Verband vor allem am Angebot von Landminen durch den Konzern. Offiziell als Antifahrzeugminen deklariert, sind die Waffen mit einem Aufhebeschutz versehen, so dass sie wie Antipersonenminen wirkten, so der Rüstungsexperte Wolfgang Menzel. Beim Versuch, die Minen zu räumen, detonierten sie, sobald man sie anfasse.

Mit der irreführenden Bezeichnung Antifahrzeugminen umgehe der Konzern gezielt den Ottawa-Vertrag von 1997, den über hundert Staaten unterzeichneten. In dem Vertrag ist die Ächtung von personenschädigenden Minen festgelegt. Alles eine Sache der Bezeichnung, scheint sich der Autobauer gedacht zu haben und benannte die Minen um.

Wohin der Autobauer die Minen liefert, bleibt im Dunkeln. „Das Unternehmen verweist auf Geheimschutzauflagen“, so Menzel. Fest steht: Die Bundeswehr verfügt über einen Bestand. Auch Italien besaß Minen, hat sie aber vernichtet. Über 30.000 Menschen kommen jährlich durch Minen ums Leben oder werden schwer verletzt. Grund für die Kritischen Aktionäre, den sofortigen Stopp der Entwicklung, Produktion und Vermarktung der Minen zu fordern.

Ein zweiter Kritikpunkt des Verbandes sind fehlende Entwicklungen im Fahrzeugbereich, etwa bei der Entwicklung von Ein-Liter-Autos und der Herstellung von Rußpartikelfiltern. Neue Studien hätten belegt, dass der Dieselruß Krebs und Herzinfarkte auslösen könne, sagte Alexander Dauensteiner, Umweltsprecher des Dachverbandes. Die Emission von Rußpartikeln ist nach Angaben des Verbandes hundert Mal höher als vom Konkurrenten Peugeot Citroën – dem einzigen Autobauer, der serienmäßig Filter einbaut. Warum die Mercedes ohne Filter fahren, dazu wollte sich der Konzern gestern nicht äußern. Dauensteiner will Schrempp jedenfalls heute symbolisch zwei Taschentücher überreichen: „Dann kann Herr Schrempp selber den Test durchführen und die Taschentücher an den Auspuff eines Peugeot und eines Mercedes halten.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen