: Schwer vermisst: ein grüner Leguan
Rainer R. hielt als Haustier eine Echse – bis sie ihm geklaut wurde. Das Gericht verurteilte die Räuber gestern zu hohen Strafen, doch das Opfer beruhigt das nicht: Er will vor allem seinen Hausgenossen, den grünen Leguan, zurückhaben
Die Liebe des Landschaftsgärtners Rainer R. gehört einer besonderen Tierart: den Echsen. Insbesondere im grünen Leguan hat der 37-jährige Mann aus Reinickendorf einen intelligenten Hausgenossen gefunden, ein elegantes, wendiges Lebewesen, das R. nicht zuletzt über seine Eheprobleme hinweghelfen konnte – so verständig und weise, wie es eben nur ein Tier vermag.
Mit dem 18. September letzten Jahres ist das Seelenleben von Rainer R. indes erneut aus dem Gleichgewicht geraten. An diesem Tag verschwand sein zahmer, 120 Zentimeter langer Leguan. Wie es dazu kam, ist eine wirre Geschichte, in dem viele Menschen unterschiedliche Dinge behaupten, ein unheilvoller Zusammenhang, der gestern als schwerer Raub vor dem Landgericht verhandelt wurde.
Rainer R. erzählt, die beiden Angeklagten hätten versucht, bei ihm Schulden einzutreiben, die er nie gehabt hätte. Der eine habe ihm in seinem Wohnzimmer ein Messer an den Hals gehalten, während der Komplize den Leguan in seine Jacke rollte – dann seien die Männer geflohen, im Gepäck das Tier im Wert von 1.100 Euro. Rainer R. ist sehr nervös bei der Aussage, manchmal spricht er von drei, dann nur von zwei Tätern, mit dem Datum ist er sich auch nicht sicher.
Eine Zeugin meint, sie habe R. damals weinend am Straßenrand sitzend gefunden. „Er wollte sich vor ein Auto werfen“, so sehr habe ihn der Verlust seines Leguans getroffen. Ihr Exfreund, der ebenfalls als Zeuge geladen ist, erklärt, auch etwas von der Sache mitbekommen zu haben: Der Leguan sei „durch mehrere Hände“ gegangen und irgendwo im Märkischen Viertel gelandet. Die beiden Angeklagten bestreiten die Vorwürfe. Der eine behauptet, R. habe den Leguan freiwillig einem unbekannten Dritten ausgehändigt. Warum, wüssten sie auch nicht, sie hätten lediglich dabeigestanden.
Ein Knäuel ungenauer und widersprüchlicher Aussagen liegt damit vor der Welt. Einig sind sich die Beteiligten nur darüber, dass sie sich von einer Reinickendorfer Wiese kennen, auf der man gelegentlich die Tage verbringt, gemeinsam trinkt und redet. Der Richter glaubt schließlich dem Tierfreund R. Die beiden Angeklagten verurteilt er zu Haftstrafen von fünfeinhalb bzw. sieben Jahren. Dem Landschaftgärtner R. ist mit dieser Entscheidung freilich nicht geholfen. Immer wieder lief er gestern klagend den Gerichtsflur entlang: „Ich will meinen Leguan wiederhaben!“ Der Verbleib des wertvollen Tieres ist bis heute ungeklärt. KIRSTEN KÜPPERS
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