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Datenplausch mit der NPD

Gericht spricht Schüler in einem Verfahren von der Sachbeschädigung von NPD-Plakaten frei. Doch die beiden 19-Jährigen machen sich Sorgen. Ein Beamter des Landeskriminalamts gab ihre Personalien an die rechtsextreme Partei weiter

„Das Abreißen von NPD-Plakaten ist eigentlich ein Zeichen von Zivilcourage.“ „Das Vorgehen von Polizei und Justiz ist von Doppelmoral geprägt.“

von HEIKE KLEFFNER

Seit gestern haben Jan Z. und Klaus A. (Namen von der Redaktion geändert) eine Sorge weniger. Nach einer kurzen mündlichen Verhandlung am Amtsgericht Tiergarten stellte ein verständnisvoller Richter das Verfahren wegen „Sachbeschädigung“ von NPD-Wahlkampfplakaten ein, das die beiden 19-jährigen Schüler monatelang in Atem gehalten hatte. Dabei fanden sie, dass das Abreißen von Plakaten mit Aussagen wie „NPD – Deine Rache“ eigentlich „ein selbstverständlicher Zeichen von Zivilcourage“ ist. Und nichts, worüber man viele Worte verliert.

Doch nun stellt sich – trotz der richterlichen roten Karte für die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft, die das Verfahren acht Monate lang akribisch betrieben hatte – bei Jan Z. und Klaus A. noch längst keine Erleichterung ein. Denn ein Beamter des Landeskriminalamtes (LKA) reichte ihre Namen an die NPD und deren Bundesgeschäftsführer Frank Schwerdt weiter.

Das geschah bereits wenige Wochen nachdem Zivilpolizisten die beiden Schüler in Marzahn in der Nähe von einem Dutzend mehr oder weniger unkenntlich gemachten Wahlplakaten der Neonazipartei festgenommen hatten.

Seitdem befürchten nicht nur die Schüler Jan Z. und Klaus A., auf den „schwarzen Listen“ der NPD zu stehen. Nach Informationen der taz wurden in mindestens zweiundzwanzig weiteren Fällen die Namen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die in der heißen Phase des Berliner Wahlkampf im Sommer vergangenen Jahres die rechtsextreme Propaganda von Laternenpfählen holten, an die NPD weitergegeben. Die Neonaazipartei stellte dann in jedem einzelnen Fall Strafantrag gegen die Betroffenen.

Die Beschädigung von Wahlkampflakaten ist ein sogenanntes Antragsdelikt, sagt Justizpressesprecher Sascha Daue. Das heißt, eine Strafverfolgung tritt zumeist erst dann ein, wenn die geschädigte Partei Strafanzeige stellt.

Die großen Volksparteien, deren Wahlplakate im Sommer 2001 beliebte Ziele von Graffiti- und anderen Künstlern waren, hätten jedoch in den meisten Fällen darauf verzichtet, Anzeige zu erstatten, sagt Daue aus Erfahrung. Anders die NPD. Die Frage, welche Daten das LKA denn an die NPD weiterreichen dürfe, kann Daue jedoch nicht genau beantworten. Das läge im Ermessensspielraum der einzelnen Beamten.

Dass die Angst von Jan Z. und Klaus A., als sogenannte „politische Gegner“ ins Fadenkreuz von Neonazis zu geraten, keineswegs unbegründet ist, bestätigen die jüngsten Aktivitäten der sogenannten „Anti-Antifa Berlin“. Ausgerechnet der NPD-Bundesgeschäftsführer Frank Schwerdt, der auch die Anzeigen gegen Jan Z. und Klaus A. erstattete, zeichnet im Sinne des Presserechts für eine „Anti-Antifa-Broschüre“ verantwortlich, in der ein Dutzend linker Jugendlicher aus dem brandenburgischen Verein „Pfeffer und Salz“ ins Visier der Rechtsextremisten genommen werden.

Übergriffe auf offensichtlich nichtrechte Jugendliche an S-Bahnhöfen in Ostberliner Stadtteilen wie Treptow gehören ebenso zum Konzept „Anti-Antifa“ wie die mehrfache Zerstörung der Schaufensterscheiben der Buchhandlung „Antifaquariat“ im Prenzlauer Berg.

Für Wolfgang Kaleck, Vorsitzender des Republikanischen Anwaltsvereins (RAV), ist das Vorgehen von Polizei und Justiz nicht nur im Fall von Jan Z. und Klaus A. von einer „scheinheiligen Doppelmoral“ geprägt. „Auf der einen Seite fordern Politiker aller Parteien und Institutionen, gesellschaftliches Engagement gegen Rechts,“ so Kaleck. „Und auf der anderen Seite werden engagierte junge Leute an die NPD ausgeliefert.“ Vor allem das Verhalten der Polizei ist dem Berliner Rechtsanwalt unverständlich. „Jede Polizei sucht sich ihre Betätigungsfelder aus,“ so Rechtsanwalt Kaleck. „Dass die Berliner Polizei offensichtlich Ressourcen zur Verfolgung linker Jugendlicher bei derartigen Bagatelldelikten hat, ist bezeichnend.“

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