piwik no script img

Unbefristeter Generalstreik in Venezuela

Die Proteste gegen Staatschef Chavez und seine Einflussnahme auf die Erdölindustrie finden immer mehr Anhänger

BERLIN taz ■ Die Sorgen um den steigenden Ölpreis haben neue Nahrung erhalten. Und die stammt nicht aus dem Nahen Osten, sondern aus Lateinamerika. „Der Generalstreik in Venezuela dürfte größere Auswirkungen auf die Opec-Politik haben als das 30-tägige Ölembargo, das der Irak angekündigt hat“, sagte John Kingston, Chef des internationalen Energieinformationsdienstes Platt, gestern. Am Mittwochabend (Ortszeit) hatte Carlos Ortega, Vorsitzender des venezolanischen Gewerkschaftsdachverbandes CVT, erklärt, der bis dato auf 48 Stunden befristete Ausstand werde auf unbegrenzte Zeit verlängert.

Der Generalstreik, der auf eine Initiative der Erdölgewerkschaft zurückgeht, wird nicht nur von Gewerkschaften, sondern auch vom Unternehmerverband Fedecamaras und der politischen Opposition unterstützt. Er richtet sich gegen die Versuche von Staatschef Hugo Chavez, immer mehr Einfluss auf die großen Wirtschaftsbereiche Ölindustrie, Fischerei und Landwirtschaft zu erlangen.

Am Sonntag hatte Chavez die gesamte Führungsspitze der staatlichen Erdölgesellschaft Petroles de Venezuela (PDVSA) entmachtet. Sieben Vorstandsmitglieder wurden entlassen, zwölf in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Begründung: „Subversion und Sabotage.“ In die frei gewordenen Ämter setzte Chavez seine eigenen Gefolgsleute ein. PDVSA ist mit 40.000 Beschäftigten die größte lateinamerikanische Erdölgesellschaft und rangiert weltweit auf Platz 4.

„Wir haben uns auf einen unbegrenzten Streik geeinigt“, sagte Ortega. In den letzten Tagen habe es „Repressionen“ des Präsidenten gegeben, darunter „Aktionen auf den Straßen“, die er nicht näher benannte. Zugleich werde die Berichterstattung erschwert. „Was in den Medien über die Proteste zu erfahren ist, stimmt mit der Wirklichkeit nicht überein“, so der Gewerkschafter. Unternehmerchef Pedro Carmona sagte, Chavez lasse nicht erkennen, dass er den Konflikt bei PDVSA lösen wolle. Die Regierung hat den Generalstreik für illegal erklärt.

Für Venezuela, das der viertgrößte Erdölexporteur der Welt ist, könnten die Folgen des Konflikts verheerend sein. Die Reserven für den Binnenmarkt reichen nach Angaben der Streikenden rund 10 Tage. Die Ölexporte sind inzwischen weitgehend zum Erliegen gekommen. Laut Frachtunternehmern werden in den wichtigsten Häfen keine Öltanker mehr beladen. Dadurch gehen dem Land nach Schätzungen von Branchenexperten täglich rund 50 Millionen US-Dollar verloren. Die größte Raffinerie, Amuay-Cardon, die täglich 960.000 Barrel Öl produzieren kann, fährt auf äußerster Sparflamme, weil die Lager voll sind. Andere Werke sind bereits komplett stillgelegt. BEATE WILLMS

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen