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Berliner Kids scheitern an Pisa

Nach Hamburg zieht nun auch Berlin seine Beteiligung am deutschen Schülervergleich zurück. Viele Haupt- und Gesamtschüler kommen mit den Testbögen nicht klar

BERLIN taz ■ Die Lese- und Koordinationsfähigkeit vieler deutscher Schüler scheint dramatisch schlechter zu sein, als bisher angenommen – sie können nicht mit Testbögen umgehen, die ihre Kompetenz ermitteln sollen. Nach der Hansestadt Hamburg musste gestern auch das Land Berlin seine Teilnahme am nationalen Schülervergleichstest Pisa E im Juni absagen.

Der Grund liegt nach Auskunft des Chefs der deutschen Pisa-Forscher, Jürgen Baumert, darin, dass es vor allem in Großstädten und bestimmten Schulformen nicht gelinge, die Bedeutung der Testbögen zu vermitteln. Viele 15-Jährige können und wollen die Fragen gar nicht erst beantworten, die man ihnen stellt. Dabei enthält „Pisa erweitert“, Pisa E, der ein Ableger des internationalen Schülervergleichs Pisa ist, durchgehend lebensweltliche Fragen. Die Deutschen waren bei dem internationalen Test auf Platz 25 von 32 OECD-Staaten gelandet. Berlins Schulsenator Klaus Böger (SPD) sagte: „Es ist bedauerlich, dass wir im Juni noch nicht dabei sind, aber es ist kein Beinbruch.“ Berlin werde nacharbeiten. Hamburg hatte seinen Ausstieg aus Pisa bereits vergangene Woche verkündet.

Das Ausscheren der beiden Stadtstaaten werde keine Auswirkungen auf die Bekanntgabe der Vorergebnisse des Pisa-Vergleichs der Bundesländer haben, hieß es gestern. Bei den anderen Bundesländern seien die Daten im Detail auswertbar. Berlin und Hamburg werden aber erst bei dem ausführlichen Ländervergleich dabei sein, der erst im November veröffentlicht wird. Pisa E ist der erste systematische Vergleich der Schulen in den Bundesländern.

Das Problem der Berliner und Hamburger Absage liegt darin, dass sich die schlechten Schüler vor allem in den Haupt- und Gesamtschulen sammeln. Ein Resultat, das bei der frühen Sortierung deutscher Schüler in gut und schlecht nahe lag. Nun liegt der Beweis auf der Hand: Nur 54 Prozent zufällig ausgewählter Berliner Hauptschüler beteiligten sich an Pisa. 80 Prozent Teilnahme aber sind nötig, um vergleichbare Ergebnisse zu erzielen. Bei den Gesamtschülern beteiligten sich 64 Prozent.

Pisa-Forscher Baumert sagte, bei Haupt- und Gesamtschülern sei das Scheitern wegen der sozialen Zusammenstellung der Schüler wahrscheinlicher. Die Eltern dieser Schüler seien – gerade in Großstädten – schwieriger zu erreichen, um ihre Zustimmung zur Teilnahme einzuholen. Zudem herrsche in diesen Familien oft „eine gewisse kulturelle Distanz zu Schule“. Baumert sagte ausdrücklich, er meine damit nicht die Abstammung der Familien, sondern ihre Einstellung zu Lernen und Schule allgemein. CHRISTIAN FÜLLER

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