: Kulturelles Obdachlosenheim
Die Kulturbrauerei will hoch hinaus. Vor allem aber will sie mehr Geld vom Senat. Die von Kürzung betroffenen Institutionen, so die Logik des neuen Geschäftsführers Thomas Wohlfahrt, könnten dann ja in Prenzlauer Berg Unterschlupf finden
von UWE RADA
Schneller, höher, weiter. Wenn es um die Zukunft der Kulturbrauerei geht, gelten offenbar nur noch olympische Maßstäbe. Zumindest für Thomas Wohlfahrt. Kaum eine Woche als alleiniger Geschäftsführer der Trägergesellschaft im Amt, hat der im Hauptberuf als Leiter der Literaturwerkstatt Berlin tätige Kulturmanager gestern seine Pläne für die Kulturbrauerei vorgestellt. Dabei heißt die Devise: Nicht kleckern, sondern klotzen.
„Wir wollen auf dem Gelände der Brauerei einen Campus der Künste“, sagte Wohlfahrt und ließ seinen Gedanken sodann freien Lauf. „Jeder, der hierher kommt, soll etwas finden, was ihm gefällt.“ Dass das Publikum in Scharen herbeiströmen wird, steht für ihn offenbar außer Zweifel. Immerhin verfüge allein die Literaturwerkstatt als neuer Gesellschafter über Kontakte zu internationalen Institutionen. Wohlfahrt zählt auf: „Das Centre Pompidou in Paris, die Royal Albert Hall in London, das Goethe-Institut“.
Der Hinweis auf die kulturellen „Leuchttürme“ in anderen Metropolen kommt nicht von ungefähr. Schließlich will Wohlfahrt auch mit der Kulturbrauerei hoch hinaus. Von einer Öffnung des ursprünglich soziokulturellen Zentrums „in die Stadt“ ist da die Rede, von der „Akquisition durchfinanzierter Programme“, einem italienischen „Piazza-Programm“ im Juni, von einem Australienfestival im nächsten Jahr, von „verstärkter internationaler Ausrichtung“ also. Wohlfahrts Fazit: „Die bisherige Geschichte der Kulturbrauerei zeigt, wie man mit Kultureinrichtungen nicht umgehen kann.“
Das ist sicher richtig, was den bisherigen Umgang mit öffentlichen Fördermitteln angeht. Doch Wohlfahrt will nicht etwa mehr sparen, er will vor allem mehr Geld. „Mit ABM-Kräften ist das Gelände nicht zu bewirtschaften“, sagte er gestern und forderte die Finanzierung mehrerer „Stabsstellen, die mit sachkompetentem Personal besetzt werden“. Wohlfahrts Gesellschafter-Kollegin Gisela Höhne assisierte dabei, in dem sie Kultursenator Thomas Flierl (PDS) daran errinnerte, dass die Kulturbrauerei schon immer eine institutionelle Förderung gefordert habe.
Der Ruf nach mehr Geld vom Kultursenator in Zeiten, in denen dieser an ähnliche Einrichtungen bereits den Rotstift anlegt? Für Wohlfahrt ist das kein Widerspruch: „Die räumliche Potenz des Geländes“, sagt er, „ist noch lange nicht ausgeschöpft. Warum sollen sich nicht die Institutionen, die aufgrund der Kürzungen aus ihren Räumen müssen, bei uns einmieten?“ Das Pfund, mit dem Wohlfahrt dabei zu wuchern gedenkt, ist ein Zuschuss der Stiftung deutsche Klassenlotterie in Höhe von 2,25 Millionen Euro für den Umbau weiterer Gebäudeteile. Hinzu kommen noch einmal 300 Millionen Euro Investitionsmittel, die Wohlfahrts Literaturwerkstatt mit auf das Gelände bringt.
Bevor die Kulturbrauerei zu einer Art staatlich finanziertem kulturellem Obdachlosenheim für staatlich abgewickelte Projekte werden kann, müssen freilich erst noch ganz andere Hausaufgaben gemacht werden. Heute wird eine Wirtschaftsprüferin ihre Arbeit aufnehmen. Die wird zu klären haben, inwieweit Wohlfahrts Trägerverein überhaupt noch zahlungsfähig ist. „Bis dahin werden wir überhaupt nichts entscheiden“, sagte gestern der Sprecher des Kultursenators, Thorsten Wöhlert. Bereits zuvor hatte Wöhlert darauf hingewiesen, dass eine Insolvenz nicht gleichzeitig das Aus für die Kulturbrauerei bedeute.
In diesem – ganz und gar nicht olympischen – Falle würde der Senat in den Mietvertrag einsteigen und sich seinerseits nach Alternativen zur bisherigen Trägersituation umsehen müssen.
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