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Wenn acht Liter eigentlich elf sind

Pünktlich zur Leipziger Automesse rechnet das Wuppertal Institut vor, dass die Verbrauchsangaben der Autohersteller hinten und vorne nicht stimmen. Die Werte werden in Tests ermittelt, die jede Menge Spritfressendes unterschlagen

von BERNWARD JANZING

Bei der Eröffnung der Leipziger Automesse am Wochenende hatte Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) eine vordringliche Botschaft. „Baut sparsamere Autos“, forderte er die Hersteller auf, die darüber klagten, dass es im ersten Quartal dieses Jahres 4 Prozent weniger Neuzulassungen gab als im vergangenen Jahr. Im internationalen Wettbewerb, so Eichel, werde die deutsche Autoindustrie nur mit umweltfreundlichen Autos bestehen können.

Tatsächlich scheinen die Unternehmen diese Erkenntnis schon des längeren zu haben – ohne sie allerdings in ökologischere und sparsamere Fahrzeuge umgesetzt zu haben. Stattdessen publizieren sie offensichtlich einfach mehr Fiktion als Realität, wenn sie den Benzinverbrauch ihrer Fahrzeuge angeben. „Ein als Acht-Liter-Auto bezeichneter Pkw ist in Wahrheit ein Elf-Liter-Auto“, hat das Wuppertal Institut jetzt nachgerechnet. Denn der von der Europäischen Kommission vorgegebene Testzyklus für die Verbrauchswerte lässt einen nicht unerheblichen Anteil des Benzinverbrauchs still und heimlich unter den Tisch fallen.

Das fängt schon bei der Klimaanlage an. Die schlägt in der Praxis im Durchschnitt mit einem vollen Liter Sprit je hundert Kilometer durch, wird aber bei den offiziellen Verbrauchswerten überhaupt nicht berücksichtigt. Und sie ist längst keine Randerscheinung mehr: Fast 90 Prozent aller Neuwagen sind heute mit dem Spritfresser ausgestattet, womit fast die gesamten formalen Verbrauchsdaten zur Makulatur werden. Laut den Wuppertaler Experten Hans-Jochen Luhmann und Rudolf Petersen wird die Anlage an rund 160 Tagen im Jahr benutzt. Faktisch schlage sie mit 0,35 Liter Kraftstoff pro Stunde zu Buche – offiziell jedoch mit null.

Auch alles andere Zubehör, das nicht für den Motorbetrieb notwendig ist, wird in den normgerecht ermittelten Zahlen nicht erfasst. Die Energie für Bordelektronik und Radio, für Sitzheizung und Servolenkung, für Beleuchtung und elektrische Fensterheber muss durch den Sprit gedeckt werden. „Der wahre Verbrauch und die offiziellen Zahlen“, resümiert Petersen, „entwickeln sich daher zunehmend auseinander.“

Dass zudem die Fahrweise des durchschnittlichen Chauffeurs nicht den Kriterien der Norm entspricht, ist hinlänglich bekannt. Ansonsten dürfte der Fahrzeuglenker nie schneller als 120 Kilometer pro Stunde fahren – dass das nicht stimmt, weiß jeder, der schon mal auf einer Autobahn gefahren ist. Auch der Mehrverbrauch durch Kaltstarts wird nicht korrekt abgebildet. Der reale Verbrauch im täglichen Verkehr liege damit alleine durch das Nutzerverhalten „typischerweise um 10 bis 15 Prozent über den Angaben im Prospekt“, ermittelten die Forscher. Das entspricht einem Mehrverbrauch von etwa 1,2 Liter je 100 Kilometer.

Petersen mahnt daher eine Überarbeitung der Testzyklen an. Zumal es weitere Ungereimtheiten gebe: „Die zunehmende Masse der Fahrzeuge schlägt in der Realität viel stärker auf den Verbrauch durch, als sie dies in der Norm tut.“ Zugleich würden die Fortschritte beim Luftwiderstand in den offiziellen Bewertungen überbewertet. Konsequenz: „Die Norm führt bei den Autoherstellern zu einer falschen Entwicklungspriorität.“

Und weil den Wuppertaler Umweltexperten nicht nur ein möglichst geringer Energieverbrauch wichtig ist, sondern es ihnen generell um den Klimaschutz geht, haben sie bei dieser Gelegenheit auch die anderen klimarelevanten Emissionen des Autoverkehrs analysiert. So stoßen die Fahrzeuge auch Distickstoffoxid aus, so genanntes Lachgas. Es schädigt das Klima in gleichem Maße wie ein Mehrverbrauch von 0,4 Liter Benzin je 100 Kilometer. In ähnlicher Größenordnung liegen die Klimaschäden durch unvermeidbare Verluste von Kältemitteln der Klimaanlagen. So entweichen etwa zehn Prozent der Substanz jährlich aus der Klimaanlage in die Atmosphäre – mehr als 80 Gramm jährlich pro Fahrzeug. Daher fordern die Wissenschaftler jetzt realistischere Zahlangaben zur Klimabelastung in den Hochglanzprospekten der Autohersteller. Begrüßen würde Petersen auch eine Art individuellen Klimapass für jedes Fahrzeug: Je nach Ausstattung wäre darin der entsprechend höhere Verbrauch für das spezifische Fahrzeug angegeben – mit entsprechenden Auswirkungen auf den Wiederverkaufswert des Autos.

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