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Ohne Regulierung kein freier Gasmarkt

Wirtschaft kann sich nicht auf freiwillige Regeln zur Öffnung des Gasmarktes einigen. Bundeswirtschaftsminister Müller kündigt Einrichtung einer Regulierungsbehörde an – das wird aber bis nach der Bundestagswahl dauern

BERLIN taz ■ Die Spitzenverbände von Industrie- und Energiewirtschaft hatten alle Chancen. Gestern wollten sie sich in Hannover endgültig auf Regeln einigen, wie die Öffnung des Gasmarktes vonstatten gehen soll. Die – freiwillige – „Verbändevereinbarung II“ zwischen den ehemaligen Gasmonopolisten, dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und dem Verband der Energie- und Kraftwirtschaft kam jedoch nicht zustande, die Verhandlungen scheiterten.

Eine BDI-Sprecherin betonte zwar anschließend, dass die Verhandlungen fortgeführt würden, aber ein weiteres Mal kann sich Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) nicht vertrösten lassen. Müller hatte den Verbänden im Januar eine letzte Frist bis Mitte März eingeräumt.

Dabei hatte er möglicherweise ohnehin aufs falsche Pferd gesetzt. Nach der „Verbändevereinbarung I“ aus dem Jahr 2000 haben es in Deutschland gerade einmal 25 Kunden geschafft, aus ihrem alten Vertrag auszusteigen und einen Lieferungsvertrag mit dem Gasversorger ihrer Wahl abzuschließen.

Nun werde er die Einrichtung einer Regulierungsbehörde vorschlagen, sagte der Minister gestern enttäuscht. Dazu soll eine Kommission eingesetzt werden, die ein Konzept ausarbeitet. Mit einem Ergebnis ist jedoch erst nach den Bundestagswahlen im Herbst zu rechnen.

Auch Michaela Eberlin von der Berliner Energieagentur Ampere hält nichts von Vereinbarungen, die ohne Verbrauchervertreter und Konkurrenten getroffen werden. Sie fordert schon länger eine Regulierungsbehörde nach dem Vorbild des Telekommunikationsmarktes: „Deutschland braucht eine Instanz, die Missbrauch und Diskriminierung der ehemaligen Monopolisten im Vorfeld ausschließt.“

Die Nat-Gas AG aus Potsdam, einer der wenigen neuen Gasanbieter, wünscht sich darüber hinaus eine Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes, duch das die Kompetenzen der Kartellbehörden gestärkt würden. Hintergrund sind konkrete Erfahrungen: Um ihre Kunden beliefern zu können, musste sie regelmäßig gegen Ruhrgas & Co vor die Gerichte ziehen.

Nach dem Willen des Europaparlaments sollen Unternehmen spätestens 2004 und Privathaushalte 2005 den Gasanbieter frei wählen können. Die Brüsseler EU-Kommission schlägt bereits seit langem eine Regulierungsbehörde vor. Die deutsche Regierung hatte diesen Vorschlag immer wieder zurückgewiesen.

PHILIPP HORSTMANN

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