: Das Ende einer historischen Mission
Die PKK will sich unter neuem Namen künftig der Unterstützung der kurdischen Minderheit in anderen Staaten widmen. Kämpfe sollen der Vergangenheit angehören. Die Regierung in Ankara hält den Wandel für ein reines Täuschungsmanöver
aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH
„Die PKK hat mit der Verwirklichung des kurdischen nationalen Erwachens ihre historische Mission vollendet. Der Kongress hat deshalb beschlossen, ab dem 4. April alle Tätigkeiten unter dem Namen PKK einzustellen.“ Diese Sätze sind der Kern einer Erklärung, mit der der Europa-Sprecher der kurdischen Guerilla, Riza Erdogan, in dieser Woche in Brüssel das Ende des bisherigen Kampfes bekanntgab.
Ein fünfzehnjähriger Krieg im Südosten der Türkei, im Nordirak, aber auch in Westeuropa, wo die PKK jahrelang auf angebliche Verräter Jagd machte, ist damit beendet. De facto zieht die PKK fast drei Jahre nach der Verhaftung ihres alten und nunmehr neu gewählten Vorsitzenden Abdullah Öcalan die Konsequenz aus der militärischen Niederlage, die sie im Kampf um einen eigenen Staat gegen die türkische Armee erlitten hat. Die Waffen will man zwar noch nicht gänzlich niederlegen – sie würden aber nur noch zur Selbstverteidigung genutzt, sagte Erdogan.
Auf einem Parteikongress, der vom 4. bis 10. April im Nordirak stattfand, folgten die Delegierten einem Vorschlag, den Öcalan von der Gefängnisinsel Imrali aus eingebracht hatte, und setzten an die Stelle der bisherigen PKK ein so genanntes Koordinationsgremium, das „Freiheit und Demokratie Kongress Kurdistan“ (Kadek) heißen soll. Auf der Konferenz wurde betont, dass Kadek die einzige legitime Nachfolgeorganisation der PKK sei, also keine Abspaltung den alten Namen beanspruchen kann.
Die neue Organisation will sich künftig darauf beschränken, andere kurdische Parteien und Massenorganisationen in allen vier Ländern, in denen kurdische Minderheiten leben (Türkei, Irak, Iran und Syrien), zu unterstützen und zu vernetzen. Da ein eigener Staat wohl kaum mehr erreicht werden kann, propagiert die Kadek für den Mittleren Osten ein Konzept, in dem durch einen demokratischen Prozess die Nationalstaaten überwunden werden sollen, um zeitgemäßeren Formen staatlicher Organisation Platz zu machen.
So weit die Theorie. In der Praxis will die neue PKK versuchen, selbst in allen vier Ländern Parteien zu gründen. Das dürfte angesichts der Verhältnisse im Irak und Syrien, aber auch im Iran, äußerst schwierig werden. Dort existieren längst andere kurdische Organisationen, die die neue PKK als Konkurrenz betrachten. Bereits jetzt steht die PKK selbst im Nordirak, wohin sich die meisten ihrer Anhänger nach Öcalans Festnahme zurückgezogen hatten, mit dem Rücken zur Wand. In den letzten Monaten hatte es wiederholt schwere Kämpfe zwischen PKK-Milizen und irakischen Kurden gegeben. Auch der Iran dürfte keine Alternative sein. Gerade jetzt wird in Teheran ernsthaft über eine Auslieferung des PKK-Militärchefs Cemil Bayik diskutiert, der im iranisch-irakischen Grenzgebiet im Krankenhaus liegt.
Aber auch in der Türkei wird die neue PKK auf wenig Gegenliebe stoßen. Ministerpräsident Ecevit hat klar gemacht, dass er die Erklärungen der „Terroristen“ für reine Täuschungsmanöver hält, die nichts anderes als die Teilung der Türkei im Sinn hätten. Die politische Klasse in Ankara verweigert jedweden Nachfolgeorganisationen der PKK den Dialog und diskutiert Fragen wie die Zulassung kurdischer Medien oder kurdischen muttersprachlichen Unterrichts ausschließlich unter sich.
Für Ecevit ist die Umbenennung der PKK vor allem ein Manöver, mit dem die europäische Öffentlichkeit und die EU-Kommission getäuscht werden soll. Gerade in dieser Woche wird auf türkisches Drängen in Brüssel darüber geredet, ob die PKK und die linksradikale DHKP-C, deren Anhänger sich in der Türkei zu Tode hungern, auf die Liste der terroristischen Organisationen gesetzt werden. Die PKK, so mutmaßt man in Ankara, wollte dem mit ihrer Umbenennung nur zuvorkommen.
Doch wie immer die EU auf die Erklärung der PKK reagiert: wichtiger wird sein, wie die Richter am Staatssicherheitsgericht in Ankara den zukünftigen Einfluss der PKK einschätzen. Dort läuft seit Monaten ein Verbotsverfahren gegen die einzige legale prokurdische Partei der Türkei, die Hadep. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet, die Hadep sei nichts anderes als der politische Arm der PKK. Man darf gespannt sein, ob dieser Vorwurf aufrechterhalten wird.
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