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Skandinavien boykottiert Israel privat

Um Druck zu machen, rufen Politiker, Kirchen und Gewerkschafter zum Verzicht auf israelische Produkte auf

STOCKHOLM taz ■ Die EU will nicht so, wie die schwedische Regierung: Handelsschrauben gegen Israel. EU-treu, wie das offizielle Stockholm ist, verkündeten deshalb einige Regierungsmitglieder nun ihren eigenen Kaufboykott. Ganz privat natürlich. Aber vorsichtshalber publikumswirksam vom Rednerpult des Parlaments. So am Montag Lena Hjelm-Wallén, stellvertretende Ministerpräsidentin und Regierungsvertreterin im EU-Konvent. Ihre Begründung: Waren aus von Israel völkerrechtswidrig besetzten Gebieten wolle sie nicht kaufen. Und da die israelischen Behörden diese nicht speziell kennzeichneten, müsse sie eben alle boykottieren. Leider.

Dutzende sozialdemokratische Abgeordnete des schwedischen Parlaments fordern einen Boykott israelischer Waren. Eine Reihe kirchlicher Organisationen verlangt, die EU solle ihr Handelsabkommen mit Israel suspendieren. Prominente Kulturschaffende, GewerkschaftlerInnen und KirchenvertreterInnen rufen die KonsumentInnen öffentlich auf, keine Waren israelischer Herkunft mehr zu kaufen: „Das einzig Sinnvolle ist ein internationales Eingreifen im Rahmen der UN. Aber auch wir einzelne Bürger können und müssen agieren, nicht zuletzt in unserer Eigenschaft als Konsumenten.“

Eine Liste solcher möglicherweise aus besetzten Gebieten kommenden Produkte haben Boykottorganisationen in den nordischen Ländern veröffentlicht, auf denen etwa Weine der „Golan Heights Winery“, Sodawasser „Soda Club“, Datteln der Marken „Jordan Plains“ und „Jordan River“ oder Kosmetika der Marken „Ahava“ und „Moraz“ zu finden sind. In Dänemark wurde am vergangenen Wochenende mit einer landesweiten Aktion vor vielen Supermärkten Verbraucheraufklärung betrieben und aufgefordert, beispielsweise auch Obst der Marken „Carmel“ und „Jaffa“ in den Regalen liegen zu lassen. Die „Boycott Israel Campaign“ (BIC) erhofft sich damit laut ihrem Koordinator Jan Mortensen ein „politisches Signal“: „Israelische Firmen werden Druck auf ihre Regierung machen, und auch das israelische Volk wird beeindrucken, wenn es solche Reaktionen in Europa gibt.“ Für das gestrige Fußball-Freundschaftsspiel Dänemark gegen Israels hatte die BIC zur Demonstration aufgerufen.

In Norwegen forderten neben den Linkssozialisten und Kommunisten und den Jugendorganisationen der Sozialdemokraten auch der ehemalige Ministerpräsident Kåre Willoch zu einem Boykott auf. Laut über einen solchen Schritt dachte in einem Gespräch mit der Osloer Tageszeitung Dagsavisen auch Bernt Aas, Direktor von Coop, der zweitgrößten Handelskette des Landes, nach: „Wir sind der Meinung, dass das israelische Vorgehen Konsequenzen für unsere Einkaufspolitik haben muss.“ Anna Rosman von der grösßten schwedischen Lebensmittelkette, ICA: „Alle unsere Waren haben eine Herkunftsangabe. Die Konsumenten können ja auf israelische Produkte verzichten.“ Die internationale Boycott Israel Campaign geht um einiges weiter: Sie setzt Firmen auf eine schwarze Liste, die große Investitionen in Israel tätigten – etwa Coca-Cola, Nestlé, L’Oréal, Kleenex und Disney.

Volvos Lkw-Fabrik im schwedischen Umeå baut gerade eine Lieferung von 106 spezialverstärkten und mit schusssicherem Glas versehenen Karossen, die eine US-amerikanische jüdische Hilfsorganisation dem israelischen Militär schenken will. Die Gewerkschaft schlug Alarm, etliche ArbeiterInnen weigerten sich, an diesen Fahrzeugen zu arbeiten. Doch die Kontrollbehörde für Militärmaterial gibt grünes Licht: Die Lkws seien Zivilfahrzeuge, unabhängig von ihrer späteren Verwendung.

REINHARD WOLFF

http://www.inminds.com/boycott- israel.html

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