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Das halb volle Glas

Wie kontrollieren? Auch die nächste Spendenaffäre dürfte im Treibsand mehrdeutiger Rechtsvorschriften versinken

von BETTINA GAUS

Es hat doch alles sein Gutes, wie der Volksmund sagt. Sogar die Kölner Spendenaffäre. Seit sie aufgeflogen ist, trägt die SPD schlechtes Gewissen. Jetzt ist sie sogar zu weiter gehenden Verschärfungen des Parteiengesetzes bereit als ursprünglich vorgesehen. Allerdings fallen einem im Zusammenhang mit dem neuen Gesetz, das morgen vom Bundestag verabschiedet werden soll, noch mehr Spruchweisheiten ein. Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird, beispielsweise. Oder auch: Ob ein Glas halb leer ist oder halb voll, hängt vom Blickwinkel des Trinkers ab.

Was war vor gut zwei Jahren nicht alles vorgeschlagen worden, als die CDU-Finanzaffäre in ihrem ganzen Umfang erkennbar wurde! Altbundeskanzler Helmut Schmidt wollte Unternehmensspenden an Parteien grundsätzlich verboten sehen. Der CDU-Politiker Heiner Geißler verlangte seinerzeit sogar, „das ganze Unwesen der Parteienfinanzierung durch Spenden zu verbieten“. Hessens Grüne forderten, Verstöße gegen das Parteiengesetz mit dem Entzug des Amtes, des passiven Wahlrechts und der Streichung von Diäten zu bestrafen. Manche ihrer Parteifreunde auf Bundesebene dachten darüber nach, Parteien bei schweren Gesetzesverstößen für einen bestimmten Zeitraum von staatlichen Zuwendungen auszuschließen. Die FDP forderte noch im Juli 2001, Täter sollten zusätzlich zur strafrechtlichen Sanktionierung keine führenden Parteiämter mehr übernehmen dürfen. Was ist von all dem übrig geblieben?

Davon: nichts. Immerhin aber kann vom 1. Juli an jemand, der gegen das Parteiengesetz verstößt, mit einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren oder einer hohen Geldbuße bestraft werden. Diese Strafandrohung hatte bereits eine vom Bundespräsidenten eingesetzte Kommission vorgeschlagen. Jetzt bildet sie den Kern der neuen gesetzlichen Regelung, auf die sich zu Beginn der Woche alle Bundestagsfraktionen außer der PDS geeinigt haben – das halb volle Glas.

Angesichts der langen Durststrecke, in der Verstöße gegen das Parteiengesetz für die Täter persönlich weitgehend risikolos gewesen sind, ist das eine substanzielle Veränderung. Über die denn auch heftig gestritten wurde. Die Union hat sich erst nach langem Widerstreben bereit erklärt, die Strafandrohung bis auf die kommunale Ebene hin auszudehnen. Wenn jeder Kassierer eines Kreisverbandes vor dem Gefängnis Angst haben muss, dann findet sich doch niemand mehr zu einem Ehrenamt bereit: So argumentierten die Konservativen zunächst. Was gewisse Rückschlüsse darauf zulässt, ob sie selbst daran glauben, dass es mit den Spendenaffären nun endlich ein Ende haben wird.

Im halb vollen Glas ist noch mehr enthalten als die Strafandrohung. Barspenden sind künftig nur noch bis zu einer Höhe von 1.000 Euro erlaubt. Ab einer Summe von 10.000 Euro müssen Name und Adresse des Spenders genannt werden. Beträge über 50.000 Euro sind dem Bundestagspräsidenten zu melden, der sie veröffentlichen muss. Im Zusammenhang mit Erbschaften muss künftig ab einer Summe von 10.000 Euro der Name des Erblassers veröffentlicht werden – eine Lehre aus der Tatsache, dass die hessische CDU versucht hatte, schwarze Kassen mit dem Hinweis auf vermeintliche „jüdische Vermächtnisse“ zu verschleiern.

Für die SPD ist ein anderer Passus des neuen Gesetzes bitter: Künftig müssen die Parteien mehr Einblick in ihre Vermögensbeteiligung geben. Damit wurde – in buchstäblich letzter Minute – ein Anliegen der Union weitgehend erfüllt. Die Sozialdemokraten haben sich vor allem deshalb lange gewehrt, weil nun auch ihre Beteiligungen an Zeitungen und anderen Medien offen gelegt werden müssen, wenn sie mehr als 20 Prozent des Firmenvermögens betragen. Diese Forderung mochte die SPD, deren Vermögen weit größer ist als das der anderen Bundestagsparteien, ursprünglich nicht erfüllen.

Wo liegt angesichts all dieser Verschärfungen der bisherigen Rechtslage das Problem? Der Teufel steckt – wie so oft und in diesem Fall besonders – im Detail. Strafrechtlich relevante Verfehlungen konnten den Tätern im Gegensatz zu Verstößen gegen das Parteiengesetz natürlich auch bisher schon gefährlich werden. Jedenfalls theoretisch. Aber solche Verfehlungen lassen sich halt im Zusammenhang mit der Parteienfinanzierung angesichts des überaus komplizierten Regelwerks nur selten nachweisen. Der augenfälligste Beweis: Ein Verfahren nach dem anderen wurde von der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft sang- und klanglos eingestellt. Daran dürfte sich auch künftig nichts ändern.

Zwei Beispiele: Es ist einem Unternehmen verboten, eine Großspende in mehrere Beträge einer Größenordnung aufzuteilen, die nicht veröffentlicht werden muss. Aber wie soll das im Einzelfall kontrolliert werden? Die Quelle-Unternehmensgruppe hat der CDU einmal 100.000 Mark zukommen lassen, diese Spende jedoch auf fünf rechtlich selbstständige Firmen aufgeteilt, weil Zuwendungen bis zu einer Höhe von 20.000 Mark nicht publik gemacht werden mussten. Wer will so etwas für die Zukunft ausschließen – wenn die Betonung auf „rechtlich selbstständig“ liegt?

Oder: Die Vorschriften für eine so genannte Dankeschön-Spende, mit der sich die Geber für politische Gefälligkeiten erkenntlich zeigen wollen, werden verschärft. Aber wie soll gerichtsfest bewiesen werden, welches Motiv die Geberlaune verursacht hat?

Auch die die nächste Spendenaffäre dürfte im Treibsand mehrdeutiger Rechtsvorschriften versinken. Wenn jemand mit Pistole und Strumpfmaske eine Bank überfällt, dann besteht an der Strafbarkeit seiner Handlung kein Zweifel. Im Blick auf die verschlungenen Pfade der Parteienfinanzierung war das bisher anders – und es wird wohl auch anders bleiben. Die PDS wird dem neuen Gesetz nicht zustinmmen, weil sie als einzige Bundestagsfraktion auf vielen erschrockenen Forderungen der ersten Stunde nach der CDU-Affäre beharrt. So auf einem generellen Verbot von Spenden juristischer Personen und auf der Möglichkeit, Tätern in besonders schweren Fällen die Befähigung zur Ausübung öffentlicher Ämter abzuerkennen. Aber die Kollegen ziehen nicht mit. Und die Öffentlichkeit verliert angesichts der Unübersichtlichkeit der Materie irgendwann sowieso das Interesse.

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