: Vertretbare Verdrängung
Nachdem die Förderung der „Sozialen Stadterneuerung“ wegen der Haushaltslage gestrichen werden soll, stellt Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) nun die Mietobergrenzen in Frage
von TINA VEIHELMANN
Schlechte Zeiten für Mieter kündigen sich an. Was jahrelang erklärtes Ziel der Stadterneuerungspolitik war, scheint nicht mehr politischer Wille zu sein: eine sozial durchmischte Stadt. Nachdem die öffentliche Förderung der „Sozialen Stadterneuerung“ der Haushaltslage wegen gestrichen werden soll, stellt Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) nun die Mietobergrenzen in Frage. So sagte Strieder jüngst vor Bezirksstadträten, dass die privaten Investoren, wenn sie auf öffentliche Gelder verzichteten, eine Sanierung nach ihrem Gusto durchführen dürften. Wer sich womöglich steigende Mieten nicht leisten könne, müsse eben woandershin ziehen. Leer stehende Wohnungen gebe es genug.
Dass sich eine rot-rote Regierung derart von ihren Grundsätzen verabschiedet, will Mittes Baustadträtin Dorothee Dubrau (Grüne) nicht einleuchten. Gerade die SPD habe Sozialverträglichkeit in der Stadterneuerung über Jahrzehnte hinweg in den Vordergrund gestellt, ebenso sei dies immer ein Grundpfeiler der Politik der PDS gewesen. „Ich denke, dass sich die beiden Parteien darüber verständigen müssen, was für eine Stadt sie tatsächlich wollen.“
Tatsächlich bedeutet die Handhabe der Mietobergrenzen ein politisches Bekenntnis für oder gegen sozialverträgliche Bedingungen in einer Stadt. Denn solange noch öffentliche Gelder in die Sanierung von Altbaubeständen flossen, konnte man so verträgliche Mieten sichern. Als Gegenleistung für die Subventionen verpflichtete sich der Vermieter, befristet ein bestimmtes Mietniveau nicht zu überschreiten. Seit dieses öffentliche Geld sukzessive zurückgeht, gewinnt das Instrument der bezirklich festgelegten Mietobergrenze zunehmend an Bedeutung. Nun hängt alles davon ab, dass die Bezirke die Auflage gegenüber den Vermietern durchsetzen.
„Es ist für uns nicht hilfreich, dass wir von der Senatsverwaltung überhaupt nicht unterstützt werden“, sagt Dubrau. Zumal die Mietobergrenzen derzeit juristischen Gegenwind bekommen. Nachdem ein Vermieter vor dem Verwaltungsgericht gegen die Mietobergrenze geklagt hat und in erster Instanz Recht bekam, soll der Streitfall nun vor dem Oberverwaltungsgericht entschieden werden.
Im Koalitionsvertrag klang die Senatsposition noch ganz anders. Zwar sollte die öffentlich geförderte „Soziale Stadterneuerung“ der Haushaltslage wegen auslaufen. Doch wollte sich Rot-Rot keineswegs generell von einer sozial verträglichen Stadterneuerung verabschieden: Von Einsparungen verschont bleiben sollten Programme, die aus EU- und Bundesmitteln mitfinanziert werden. Statt der privaten Sanierung sollten schwerpunktmäßig kommunale Gebäude, öffentlicher Raum und Infrastruktur gefördert werden. Ausdrücklich sollten Mietobergrenzen „unvertretbare Verdrängungsprozesse“ von sozial schwächeren Mietern aufhalten.
Doch nicht nur die Mietobergrenzen geraten unter Beschuss. Auch an anderen Stellen entfernt sich Rot-Rot vom Koalitionsvertrag. Zwar gibt es noch keinen offiziellen Haushalt, doch kurz vor Ostern erhielten die Stadträte die Information, dass nun auch jene Stadterneuerungsprogramme von Kürzungen betroffen sein sollen, die der Bund beziehungsweise die EU kofinanzieren. Beispiel: das EFRE-Programm, das Gelder für „Infrastrukturmaßnahmen“ bereitstellt – zum Beispiel für die Sanierung von Parkanlagen oder Spielplätzen. Auch das Denkmalschutzprogramm ist in Gefahr. Dies spielt bislang in der Rosenthaler und Spandauer Vorstadt, der Lichtenberger Viktoriastadt und in Köpenick eine wichtige Rolle. Denn die Denkmalschutzgelder fließen hier unter anderem in öffentliche Gebäude, wie etwa Schulen. Bislang konnte mit diesem Geld ein großer Teil der privaten Sanierung realisiert werden – halbwegs mietenverträglich.
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