Schröder kneift – Stoiber keift

Nach der SPD-Pleite in Sachsen-Anhalt misslingt dem Bundeskanzler auch noch seine Spezialität: die Selbstdarstellung

BERLIN taz ■ Erstmals im laufenden Wahljahr hat Bundeskanzler Gerhard Schröder durch eigenes Zutun seinem Herausforderer Edmund Stoiber eine Vorlage geliefert. Nach dem Debakel seiner Partei bei der Wahl in Sachsen-Anhalt ließ sich der SPD-Vorsitzende gestern bei der Pressekonferenz im Anschluss an die Präsidiumssitzung von Generalsekretär Müntefering vertreten.

Obwohl die Praxis nicht neu ist, nutzte der Kanzlerkandidat der Union Schröders Blöße sofort: „Feigheit vor den Medien, das ist für den Medienkanzler sicher ein Novum.“ Weil die Zeitungen vom Montag den Wahlausgang einhellig als schweren Schlag für Schröder gewertet hatten, war ein persönlicher Auftritt des Kanzlers weithin erwartet worden.

Schröders Fehleinschätzung verhalf der Union zu ihrer bisher wirkungsvollsten Attacke auf einen Kanzler, den sie seit Wochen als Entertainer abqualifiziert. „Versprochen, gebrochen, verkrochen“, variierte CDU-Chefin Angela Merkel den Unions-Slogan über Schröders angeblich gebrochene Wahlversprechen. Edmund Stoiber warf seinem Kontrahenten vor, keine Bilanz seiner Arbeit vorzulegen. Dieser hatte am Morgen in ein Mikrofon gesagt, es gehe im Herbst um die Frage: „Wollt ihr den Bundeskanzler Schröder weiter oder wollt ihr den Stoiber?“ Der bayerische Ministerpräsident konterte, er nehme Schröders Herausforderung gerne an, „aber es geht nicht um seine Person und nicht um meine Person, sondern um die Politik, die dahinter steht.“

In einem Wahlkampf, der nicht zuletzt dank der SPD immer stärker zur täglichen Konkurrenz um Schlagzeilen und Fernsehbildern wird, musste Generalsekretär Müntefering gestern passen: Er konnte die Abwesenheit seines Chefs nicht erklären. PATRIK SCHWARZ

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