NAHOSTDEBATTE IM BUNDESTAG: STOIBER GEGEN SCHRÖDER UND FISCHER: Unentschieden
Der Nahostkonflikt eignet sich für eine Wahlkampfschlacht in Deutschland denkbar schlecht. Warum bloß wählt Edmund Stoiber ausgerechnet dieses Thema für seine erste Bundestagsrede als Kanzlerkandidat der Union? Darüber wurde vor allem im konservativen Lager viel gerätselt. Dabei ist die Antwort ganz einfach: Eben drum.
Stoiber liegt nichts an einem polarisierenden Wahlkampf der Zuspitzungen. Vernünftigerweise. Mit deftigen Sprüchen könnte der CSU-Politiker zwar den eigenen Anhängern viel Freude bereiten, aber nur schwerlich neue hinzugewinnen. Von der Stammwählerschaft alleine wird jedoch niemand ins Kanzleramt getragen.
Wenn Stoiber dort einziehen will, muss er zwei Ziele erreichen: Zum einen gilt es, diejenigen zu beruhigen, die ihn für einen gefährlichen Reaktionär halten. Zum anderen muss er sich auf den Gebieten profilieren, auf denen Gerhard Schröder die größere Kompetenz zugesprochen wird. Die Außenpolitik steht in diesem Zusammenhang an erster Stelle, weil jeder Bundeskanzler da – ganz unabhängig von seinen persönlichen Fähigkeiten – über einen besonderen Amtsbonus verfügt.
Stoiber konnte mit einer Rede über den Nahostkonflikt beiden Zielen gleichzeitig näher kommen. Die Ablehnung einer deutschen Beteiligung an einem möglichen UN-Militäreinsatz in der Region war eine günstige Gelegenheit, sich risikolos von der Bundesregierung abzugrenzen. Ein solcher Einsatz wäre nämlich auch im rot-grünen Lager keineswegs unumstritten. Stoiber kann dazu eindeutig Position beziehen, ohne sofort in der Schublade des konservativen Hardliners zu landen.
Kanzler und Außenminister war anzumerken, dass sie das Kalkül des Herausforderers durchschaut hatten. Sie praktizierten Arbeitsteilung: Gerhard Schröder präsentierte sich als verantwortungsbewusster Staatsmann, Joschka Fischer als kenntnisreicher, erfahrener Fachpolitiker. So sieht es also aus, wenn Rot und Grün näher zusammenrücken. Sieger und Verlierer gab es übrigens gestern nicht. Was bei diesem Thema auch besser ist.
BETTINA GAUS
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