: Islamistenverein verliert gegen die taz
Das Landgericht Berlin hat gestern entschieden: Das Islam Kolleg Berlin e. V., Träger der islamischen Grundschule, darf als Tarnorganisation von Milli Görüs bezeichnet werden. Eine einstweilige Verfügung gegen die taz ist aufgehoben
BERLIN taz ■ Dieser Satz stört Islamisten aus dem Milli-Görüs-Milieu in Berlin: „Islamkolleg, die islamische Föderation und Milli Görüs sind voneinander unabhängige Organisationen, behaupten die Funktionäre seit mehr als zehn Jahren – und sie lügen. Erfolgreich. Denn wäre der Nachweis gelungen, dass das Islam Kolleg e. V. eine Tarnorganistation von Milli Görüs ist, hätte der Senat 1995 die islamische Grundschule nicht anerkannt …“ Der Satz steht in der im September 2000 von dem SPD-Europaabgeordneten Ozan Ceyhun herausgegebenen Broschüre „Politik im Namen Allahs. Der Islamismus, eine Herausforderung für Europa“. Als PDF-Datei war der von taz-Redakteur Eberhard Seidel, Claudia Dantschke und Ali Yildirim verfasste Text bis Januar 2002 unter der Internetadresse www.taz.de abrufbar.
Gestern hat das Landgericht Berlin eine am 21. März gegen die taz verhängte einstweilige Verfügung aufgehoben, die die Verbreitung dieses Satzes bei Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro untersagte. Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass beim gegenwärtigen Stand der Glaubhaftmachung die in der Broschüre „Politik im Namen Allahs“ gemachten Aussagen zu den Verbindungen zwischen Milli Görüs, und Islam Kolleg e. V., dem Trägerverein der islamischen Grundschule der Islamischen Föderation, wahr sind.
Bislang konnten sich die Organisationen aus dem Umfeld von Milli Görüs mit der Auffassung vor Gericht durchsetzen, sie seien organisatorisch unabhängig von der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs, die seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Mit dieser Argumentation wurden in der Vergangenheit nicht nur gegen die taz einstweilige Verfügungen erwirkt, sondern auch Journalisten anderer Zeitungen eingeschüchtert. Sie fürchteten Klagen, wenn sie die Verflechtungen zwischen islamischen Organisationen und Milli Görüs thematisieren.
Seit gestern folgt das Landgericht Berlin der von taz-Anwalt Johannes Eisenberg vorgetragenen Position, die die Verbindung zwischen den Organisationen nicht technisch beschreibt: „Die Prozessparteien aus dem Milieu der Antragssteller lassen gerne wortreich an Eides statt versichern, was niemand bestreitet, nämlich dass die einzelnen Organisationen, Einrichtungen, Zweckbetriebe rechtlich unabhängig sind. Das hindert aber nicht, ihre ideologische und weltanschauliche sowie personelle Verflechtung zu beschreiben.“ Auf Grund der zahlreichen personellen und organisatorischen Überlappungen hält es das Gericht für legitim, das Islamkolleg als Tarnorganisation von Milli Görüs zu bezeichnen. Zumal gilt, was Eisenberg vorgetragen hat: „Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs Landesverband Berlin ist kein nach Deutschen Rechtsvorschriften organisierter Personenzusammenschluss. Er hat keine offiziellen Mitgliederlisten, arbeitet jedenfalls für deutsche Behörden ohne behördliche nachvollziehbare Struktur, um nicht zu sagen klandestin. Seine Mitglieder sind nicht durch offiziöse Mitgliederlisten zu ermitteln. Pressemäßige Sorgfalt bei der Beobachtung und kritischen Berichterstattung dieser Organisation und der durch sie geschaffenen Strukturen ist also auf informelle Erkenntnisse notwendigerweise angewiesen.“ (Az.: LG Berlin 27.0.134/02) taz
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