: Abtei am himmlischen Kabel
Im fränkischen Münsterschwarzach plant das Kloster den kompletten Umstieg auf erneuerbare Energien. Durch Wasser, Sonne und Wind wurde in den ersten beiden Monaten dieses Jahres 28 Prozent des klösterlichen Strombedarfs regenerativ gedeckt
Nur nichts überstürzen: „Wir Benediktiner denken in langen Zeiträumen“, sagt Pater Christoph, „schnelle Übergänge sind uns fremd.“ Schließlich besteht die Abtei Münsterschwarzach in Franken bereits seit dem Jahre 816. Und wer auf eine derart lange Geschichte zurückblickt, der „springt natürlich nicht gleich auf jeden Zug auf“.
Dennoch ist man für innovative Ideen in Münsterschwarzach aufgeschlossen – wie das jüngste Projekt beweist. Denn die Abtei hat sich zum Ziel gesetzt, ihren Energiebedarf in zehn Jahren komplett aus erneuerbaren Energien zu decken. Ganz im Stil des Ordens kam die Idee aber nicht deswegen zustande, weil solche Projekte heute modern sind, sondern weil sie einfach ins Konzept der Benediktiner passen: „Achtsamer Umgang mit der Schöpfung ist für uns eine Art Gottesdienst“, heißt ein Credo der Abtei. Es wird auch lange schon gelebt – schließlich nutzt das Kloster seit mehr als 700 Jahren die erneuerbaren Energien in Form der Wasserkraft an einem Mühlkanal des Mains.
Die geplante Energiewende ist ambitioniert, denn es ist keine Kleinigkeit, was in dem Kloster im Landkreis Kitzingen bei Würzburg vollbracht werden soll. Immerhin umfasst die Abtei 100 Mönche. Sie beschäftigt zudem 200 Mitarbeiter, unterrichtet 750 Schüler und beherbergt durchschnittlich 50 Gäste. Ein umfassendes Spektrum von Handwerk und Gewerbe ist Teil des Betriebes: Nicht nur Bäckerei und Metzgerei gehören dazu, auch eine Druckerei mit Verlag und Buchhandlung, eine Goldschmiede, Zimmerei, Schreinerei, Spenglerei, Tüncherei sowie Landwirtschaft. So kommt einiges zusammen, was zuverlässig mit Energie versorgt werden will.
Die Idee, das Kloster komplett auf eine nachhaltige Energieversorgung umzustellen, reicht zurück bis Oktober 2000. Damals waren der Journalist Franz Alt und der Freiburger Solararchitekt Rolf Disch vor Ort und entwickelten, wie die Abtei formulierte, zusammen mit den Mönchen die „Vision des solaren Klosters“.
Weitere konkrete Schritte folgten bald: Ein Jahr nach dem ersten Konzept ging im vergangenen Oktober eine Solarstromanlage mit 25 Kilowatt Leistung ans Netz. Ferner beteiligte sich das Kloster an einer Windkraftanlage, die jährlich 80.000 Kilowattstunden umweltfreundlichen Strom für das Kloster liefert. Sogar ein eigener Windpark auf einem klostereigenen Gelände in Schonungen bei Schweinfurt ist in Planung. „Damit“, sagt Pater Christoph, „können wir dann sogar mehr Strom regenerativ erzeugen, als wir verbrauchen.“
Auch der Bau eines Pflanzenöl-Blockheizkraftwerkes wurde bereits durchgerechnet. Dieses würde die Selbstversorgung mit Regenerativstrom ebenfalls problemlos bewältigen. Kritisch könnte dann vielmehr der Überschuss werden: „Wenn wir hier unsere ganzen Pläne umgesetzt haben, wird die größte Schwierigkeit darin liegen, unseren Überschussstrom im Netz unterzubringen“, sagt Pater Christoph; die Netzkapazitäten könnten dann nämlich knapp werden. Der 38-Jährige weiß, wovon er spricht, denn er hat neben Theologie auch Elektrotechnik studiert. Und auch in den Werkstätten der Abtei kennt man sich mit dem Stromnetz aus – schließlich war sie mit ihrem Wasserkraftwerk und einem Dieselgenerator bis in die 50er-Jahre hinein zugleich Elektrizitätswerk für die umliegenden Häuser. Noch heute steht der Diesel als Notstromaggregat für die Region zur Verfügung.
Doch nicht nur die umweltgerechte Stromversorgung des Klosters ist Ziel der Mönche. Auch die Wärmeversorgung soll künftig komplett regenerativ erfolgen. Daher stand am Anfang eine Bestandsaufnahme: Die Energieagentur Regio Freiburg nahm in den vergangenen Monaten zusammen mit dem Schweinfurter Ingenieurbüro Orf & Vizl jedes der rund 60 Gebäude unter die Lupe. „Langfristig sind hier Einsparungen bis zu 50 Prozent der Heizenergie möglich“, resümiert Rainer Schüle von der Energieagentur. Damit, rühmt auch Ideengeber Disch das Kloster, erlange es eine „Vorreiterrolle und Vorbildfunktion“.
Bei allem Engagement können die Mönche von Münsterschwarzach sich Träumereien aber nicht leisten. „Unsere Projekte müssen langfristig allesamt wirtschaftlich sein“, sagt der Pater. Denn die Abtei wirtschaftet selbstständig. „Wir haben keinen Orden, der uns finanziert, wir bekommen auch keine Kirchensteuer, wir sind rechtlich gesehen eine Firma.“ Dass dennoch in den nächsten zehn Jahren der Abschied von den konventionellen Energien gelingen wird, macht das Projekt umso beachtlicher.
Die ersten Erfolge sind ermutigend. Durch Wasser, Sonne und Wind wurde in den ersten beiden Monaten dieses Jahres bereits 28 Prozent des klösterlichen Strombedarfs regenerativ gedeckt. Und auch beim Energiesparen zeigt das Konzept offenbar schon Wirkung, ehe die Wärmesanierungen überhaupt begonnen haben. „Im ersten Quartal dieses Jahres ging der Energieverbrauch bei uns um 10 bis 15 Prozent zurück“, sagt Pater Christoph, „und wir können keinen richtigen Grund dafür erkennen.“ Doch eine Vermutung hat er: „Die Diskussion über das Energiekonzept hat bereits zu einem bewussteren Umgang mit Energie geführt.“
BERNWARD JANZING.
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