Gewerkschaften boykottieren Senat

Ohne die Vertreter der Beschäftigten berät der rot-rote Senat über eine Reform des öffentlichen Dienstes

Der Streit zwischen den Arbeitnehmervertretern des öffentlichen Dienstes und dem rot-roten Senat eskaliert weiter: Mittlerweile redet man nicht einmal mehr miteinander. An einer Senatsklausur zur Verwaltungsreform am Montag nahmen die Personalräte des öffentlichen Dienstes demonstrativ nicht teil. Sie unterliefen damit die Absicht des Regierenden Bürgermeisters, gemeinsam mit den Vertretern von Beamten und Angestellten die Erneuerung der Verwaltung zu erörtern, von der sich Wowereit vor allem Einsparungen im Personalhaushalt erhofft.

Bereits am Freitag hatte der Hauptpersonalrat (HPR) dem Regierenden per Brief die Absage mitgeteilt. Die Angestellten des öffentlichen Dienstes düften nicht zu Sündenböcken der Haushaltsmisere gestempelt werden. Konkret kritisieren die Personalvertreter, dass keine Gewerkschafter zur Senatsklausur geladen wurden. In einer von Innen- und Finanzressort erarbeiteten achtseitigen Vorlage für die Klausur fehlen zudem Vorschläge, wie mit dem nach der Reform nicht mehr benötigten Personal umgegangen wird.

Der Regierender Bürgermeister erklärte gestern zur Beginn der Senatsklausur, er halte den Boykott für falsch, die Personalvertreter dürften sich nicht der Diskussion verweigern. In der Senatskanzlei macht man sich derweil gegenseitig Mut mit der Parole: „Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen.“ Mit diesem Herbert-Wehner-Zitat möchte man ausdrücken, die Vertreter der Beschäftigten hätten ein zu großes Interesse, Einfluss auf die Verwaltungsreform zu nehmen, um sie dauerhaft zu boykottieren. Dies ist jedoch nur eine Seite der Medaille, weiß auch der Regierende. Das anspruchsvolle Projekt Verwaltungsreform hat Wowereit selbst wichtig geredet. In seiner Regierungserkärung hieß es gar: „Wir brauchen keine Verwaltungsreform, sondern eine Verwaltungsrevolution.“ Vor allem braucht Wowereit eine Einigung mit den Gewerkschaften bei den Personalkosten im öffentlichen Dienst. 250 Millionen Euro Einsparungen sind bis 2003 fest eingeplant. Wowereits Idee eines „Solidarpakts“ mit freiwilligem Lohnverzicht dürfte bei diesem Gesprächsklima kaum zu realisieren sein.

Konkret richtet sich der Unmut der Personalvertreter vor allem gegen den SPD-Finanzsenator. Thilo Sarrazins forsche Art liegt den Vertretern der Beschäftigen nicht. Mitte April kam es zu einem Eklat. Gewerkschaftsvertreter verließen ein Gespräch mit Sarrazin. Der Senator habe „gepöbelt“, hieß es danach, Sarrazins Mitarbeiter behaupten dagegen, ihr Chef habe lediglich gesagt, den bestehenden Beschäftigungssicherungspakt „hätte ich so nicht unterschrieben“.

Die Senatspartei PDS nimmt im eskalierenden Streit zwischen ihrem Koalitionspartner SPD und den Gewerkschaften eine vorsichtige Beobachterrolle ein. Ihr Fraktionschef Harald Wolf kommentiert den Unmut der Gewerkschaftler über Sarrazin nur vorsichtig: „Sich nur auf der Beziehungsebene zu bewegen halte ich nicht für politisch klug.“

Die Vorlage zur gestrigen Senatsklausur sieht konkret unter anderem die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für Unternehmen vor, aber auch Neuerungen bei der Vermittlung von Sozialhilfeempfängern in Arbeit. Die konkrete Umsetzung der Neuerungen sollte nach dem Willen vieler Sozialdemokraten bei Friedrich Dopatka, dem ehemaligen Gesundheitsstaatssekretär, liegen. In der PDS hingegen sieht man den bisherigen Reformbeauftragten Markus Grassmann als geeigneten Mann. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe dauerte die Senatsklausur noch an.

ROBIN ALEXANDER