PAKISTAN: MUSCHARRAFS ZWEIFELHAFTES REFERENDUM: Der sanfte Diktator demontiert sich selbst
Mit einem nach vorläufigem Stand fast schon realsozialistischen Ergebnis von 98 Prozent haben Pakistans Wahlberechtigte ihrem Militärmachthaber Pervez Muscharraf eine weitere fünfjährige Amtszeit genehmigt. Am Ausgang des Referendums gab es nie einen Zweifel, weil es ihm an Gegenkandidaten mangelte. Allein die Höhe der Wahlbeteiliung galt als Gradmesser für die wirkliche Zustimmung, die der General in der Bevölkerung hat. Das staatliche Fernsehen sprach in ersten Berichten von einer Beteiligung über 50 Prozent, was gegenüber der 37-prozentigen Beteiligung bei den letzten regulären Wahlen 1997 ein Erfolg wäre. Doch da die Regierung sich geweigert hatte, Wählerlisten aufzustellen, und Wähler ohne Schwierigkeiten mehrfach ihr Kreuz machen konnten, sagen solche Zahlen vor allem aus, dass Muscharraf mit allen Tricks unbedingt gewinnen wollte.
Im korruptionsgeplagten Pakistan von einem Putschgeneral die Einhaltung demokratischer Grundregeln zu erwarten, wäre sicherlich vermessen, auch wenn Muscharraf genau dies nach seinem Putsch versprochen hatte. Dabei verziehen die Pakistaner dem General mehrheitlich den Putsch, weil er eine abgewirtschaftete Regierung unblutig entfernte und sich in der Folgezeit nicht als brutaler Diktator, sondern als sanfter Modernisierer zu verkaufen wusste. Im Vergleich zu den demokratisch gewählten, korrupten und ineffizienten Vorgängerregierungen galt Muscharraf für viele gar als Glücksfall. Auch der Westen verzichtete auf Kritik, nachdem Muscharraf im Krieg gegen den Terror eine Schlüsselrolle zukam und er versprach, den militanten Islamisten im eigenen Land Einhalt zu gebieten.
Mit dem jetzigen Referendum weckte Muscharraf unliebsame Erinnerungen an frühere pakistanische Militärdiktatoren, die sich durch ähnlich manipulierte Abstimmungen legitimierten. Nicht nur das – mit der allein ihn begünstigenden Durchführung der Abstimmung begab sich Muscharraf auch auf die Ebene ausgerechnet solcher Politiker, deren Methoden er zu beenden versprochen hatte, und beschädigte damit sein eigenes, weitgehend positives Image. Das Referendum lässt auch für die Parlamentswahlen, die Muscharraf für Oktober versprach, Schlimmes befürchten. Eigentlich wählen laut Verfassung die Nationalversammlung, der Senat und die vier Provinzparlamente den Präsidenten. Muscharraf hätte hierbei gute Chancen gehabt, sofern er, wie von der Verfassung gefordert, sein Amt als Militärchef niedergelegt hätte. Stattdessen wählte er ein Referendum ohne Gegenkandidaten. Das zeigt, dass der General kein Vertrauen in demokratische Prozesse hat. Damit hat seine Selbstdemontage begonnen. SVEN HANSEN
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