: Die Kosovaren loben Ibrahim Rugova
Die Albaner in Priština sind angetan von dem Auftritt ihres Präsidenten vor dem Kriegsverbrechertribunal
PRIŠTINA taz ■ Die albanische Bevölkerung im Kosovo ist erleichtert darüber, wie sich ihr Präsident Ibrahim Rugova vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag geschlagen hat. Rugova ist seinem alten Widersacher Slobodan Milošević „überzeugend, ruhig und souverän“ entgegengetreten.
So sagen es jedenfalls die Journalisten der Tageszeitung Koha Ditorë in Priština, die Rugova nicht immer freundlich gesinnt waren. Einige von ihnen hatten sogar ein Debakel erwartet, denn Rugova hatte bei seinen letzten Auftritten im eigenen Land keineswegs überzeugend gewirkt. Er hatte taktisch argumentiert, nur, um doch noch vom Parlament zum Präsidenten gewählt zu werden. Wie er aber bei den entscheidenden Punkten gegenüber Milošević den Standpunkt der Kosovaren vertrat, nötigt auch seinen härtesten Kritikern in Priština Respekt ab.
Die letzten Worte Milošević’ während der Anhörung des Zeugen Rugova waren das Tüpfelchen auf dem i. Der sichtlich genervte ehemalige Staatschef Serbiens und Jugoslawiens fragte nämlich: „Wohin wollen Sie flüchten, wenn die Nato wieder Kosovo verlässt?“ Die in der Frage enthaltene offene Drohung zeige, wer Milošević war und was er immer noch ist, darin ist sich die Journalistenrunde einig.
Die Verhandlung brachte noch einmal alle wichtigen Konfliktpunkte zwischen dem Serbien Milošević’ und den albanischen Kosovaren in Erinnerung. Und auch die serbische Mythologie über die Ereignisse seit Ende der Achtzigerjahren, an die Milošević selbst zu glauben scheint. Enver Hoxhaj, Politiologe an der Universität von Priština, kann es nicht fassen, dass Milošević die von ihm betriebene Verfassungsänderung 1989, mit der das Autonomiestatut Kosovos abgeschafft und die Schaffung des „Apartheitstaates“ eingeleitet wurde, als für die Albaner günstig ansehen will. „Seine Fragen über den angeblichen Plan Rugovas von 1993, die Albaner zu evakuieren, um der Nato freie Schusslinie zu verschaffen, ist so absurd wie seine Vermutung, Deutschland habe die Albaner dazu benutzt, mit der Abspaltung des Kosovos von Serbien die Ergebnisse des Ersten Weltkrieges und den Vertrag von Trianon zu revidieren.“
Auch der für ausländische Medien arbeitende Tarik Pagarusha wundert sich über den Realitätsverlust des Angeklagten. „Milošević galt doch immer auch als Pragmatiker. War er also doch vor allem Ideologe?“, fragt er. Und er ist froh darüber, dass Rugova in der Verhandlung ansprach, wie Milošević den serbischen Nationalisten Vasa Čubrilović mit einem Orden ehrte. Čubrilović hatte in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts vorgeschlagen, ein Drittel der Albaner zu töten, ein Drittel zu vertreiben und nur den Rest im Lande zu belassen.
„Sehen sie sich die Körpersprache an“, sagt Professor Alush Gashi, ein Parteifreund Rugovas und nun Abgeordneter im Parlament. „Milošević, obwohl Angeklagter, tritt immer noch als Herrscher auf.“ Der Prozess sei aber nicht wegen der Person Milošević wichtig, sondern wegen der geschichtlichen Wahrheit. „Irgendwie müssen wir einen Weg zu einem geordneten Miteinander finden, dies geht aber nur, wenn die serbische Seite die Politik Milošević’ selbst ablehnt.“ Die Unterdrückung der Albaner sei nicht von den alteingesessenen Serben im Kosovo ausgegangen, sondern von Belgrad aus geplant und durchgeführt worden.
Rugova habe die Verhandlung zur innenpolitischen Befriedung genutzt, sagen Mitarbeiter der Zeitung Zeri. Indem er während der Verhandlung die ehemalige Befreiungsarmee UÇK vor dem Vorwurf Milošević’, sie sei eine terroristische Organisation gewesen, in Schutz nahm und klarstellte, dass die UÇK das Leben der albanischen Bevölkerung verteidigte, habe er Punkte bei ehemaligen Kämpfern sammeln wollen. Verschwiegen hat Rugova aber, dass er noch bis in den Frühsommer 1998 hinein erklärte, die UÇK sei vom serbischen Geheimdienst geleitet.
Außerdem war seine Antwort auf die Frage Milošević’ nicht befriedigend, ob die UÇK nicht ihn, Rugova, töten wollte. Gerüchte darüber hat es immer gegeben. Und dieser Umstand könnte auch erklären, warum Rugova nach einem Treffen zwischen den beiden Anfang Mai 1999 in Belgrad das Angebot Milošević’ annahm, ins Ausland, nach Italien, zu gehen. ERICH RATHFELDER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen