Pause für Maroni

„Rasierklingen-Orgie“: Fanatischer Angeklagter vom „Al-Qaida-Prozess“ ausgeschlossen. Entbindung von Pflichtverteidiger Groepper beantragt

FRANKFURT/MAIN taz ■ Der im „Al-Qaida-Prozess“ angeklagte Lamine Maroni ist zu weit gegangen. Die Staatsschutzkammer am Oberlandesgericht Frankfurt hat den muslimischen Fundamentalisten gestern „für unbestimmte Zeit“ von der Verhandlung ausgeschlossen. Maroni, der das Gericht und seine „ungläubigen“ Pflichtverteidiger schon wiederholt beleidigt hatte, zerschnitt nach dem dritten Verhandlungstag die von der Justizvollzugsanstalt Butzbach geliehene Straßenkleidung mit einer „halben Rasierklinge“. Zudem hatte er sich vor der Abfahrt des Gefangenentransporters geweigert, sich vom Anstaltsarzt „auch in allen Körperöffnungen“ durchsuchen zu lassen. Die andere Hälfte der Rasierklinge ist nämlich unauffindbar.

Der Leiter der JVA hatte dem Kammervorsitzenden zudem geschrieben, Maroni habe ihm „unbekannte Lieder gesungen“. Unter diesen Umständen verzichtete das Gericht darauf, den stimmgewaltigen Algerier, der nach eigenen Angaben ohnehin „nur mit Gott“ kommuniziert, zwangsweise untersuchen und vorführen zu lassen. Die Zwangsvorführung hätte nur erneut zu „schwerwiegenden Störungen“ durch Maroni geführt, die dann eh seinen dritten Ausschluss vom Verfahren nach sich gezogen hätten, so der Vorsitzende Richter Karlheinz Zeiher. Da könne der Mann gleich im Gefängnis bleiben; die anderen Prozessbeteiligten sahen das genau so.

Ganz peinlich wurde es gestern für Achim Groepper, einen der beiden Verteidiger des Angeklagten Beandali. Der hat einen Entbindungsantrag gestellt, in dem er Groepper vorwirft, sein Vertrauen missbraucht und Passagen aus Gesprächen mit ihm und aus der Anklageschrift gegen seinen Willen an die Presse weitergegeben zu haben. So soll Groepper aus Karrieregründen einem Journalisten des Fernsehmagazins „Report“ noch vor Beginn der Hauptverhandlung von dem eigentlich geplanten Anschlag auf die Synagoge des Friedens in Straßburg berichtet haben; die Bundesanwaltschaft ging von einem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt dort aus. Und Groepper habe auch einem Reporter der Frankfurter Allgemeinen Zeitung exklusive Interviews gegeben und Einblick in die Anklageschrift gewährt. Groepper bestritt gestern, das Anwaltsgeheimnis gebrochen zu haben. Die Kammer will bis zum nächsten Verhandlungstag eine Entscheidung über den Entbindungsantrag herbeiführen.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT