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Flurbereinigung für den deutschen Gast

In ihrem rücksichtslosen Kampf gegen islamische Oppositionelle verfolgt Usbekistans Regierung jetzt auch Frauen. Menschenrechtler befürchten Folter. Von Kanzler Schröders Besuch heute erwarten Regimegegner „Doppelmoral“

BERLIN taz ■ Rund 7.000 Gefangene, als Mitglieder oder Unterstützer islamischer Gruppierungen verurteilt, sitzen derzeit in usbekischen Gefängnissen. Aber das reicht Staatspräsident Islam Karimow nicht. Jetzt geht sein Staat auch verstärkt gegen Frauen vor. So verhaftete die Polizei am 23. April neun Frauen und ihre Kinder in der Hauptstadt Taschkent sowie neun Frauen im Fergana-Tal. Die Frauen hatten gegen die Verfolgung muslimischer Dissidenten protestiert und die Freilassung von männlichen Verwandten gefordert, die wegen Verbindungen zu islamischen Gruppen lange Strafen absitzen.

Tags darauf verurteilte ein Taschkenter Gericht vier Frauen wegen Mitgliedschaft in der Hisb-ut-Tahrir zu bis zu vierjährigen Haftstrafen. Die verbotene islamische Partei kämpft für die Errichtung eines weltweiten Kalifats mit friedlichen Mitteln und ist einer der erklärten Staatsfeinde von Karimow.

Während des Prozesses beschuldigte eine der Angeklagten die Polizei, sie und ihre Kolleginnen geschlagen zu haben, um Geständnisse zu erpressen. Auch bei anderen Rechtsverstößen scheint die Gleichberechtigung der Geschlechter durchgesetzt zu sein, glaubt man den Aussagen der verurteilten Frauen: willkürliche Verhaftungen, beliebig lange Untersuchungshaft ohne Zugang der Beschuldigten zu einem Anwalt und kaum Zeit, eine Verteidigung vorzubereiten.

„Die Bedrohung von Folter in der Untersuchungshaft ist real, besonders, wenn der Inhaftierte vollständig von der Außenwelt abgeschnitten ist“, schreibt Elisabeth Anderson von Human Rights Watch in einem Bericht zu Usbekistan vom 1. Mai. Über den Kurs Karimows macht sich Anderson keine Illusionen: „Die jüngste Welle von Verhaftungen zeigt, dass die Regierung nicht die Absicht hat, ihre Kampagne gegen den unabhängigen Islam einzustellen.“ Das formulierte Karimow unlängst auch ganz offen. Die jüngste Verhaftungswelle sei nur die Fortsetzung des Kampfes gegen radikale islamische Aktivitäten, sagte er beim Besuch seinen iranischen Amtskollegen im April.

Als strammer Kämpfer gegen den Terrorismus weiß sich Usbekistans Präsident seit dem 11. September 2001 auf der sicheren Seite. Sein Washingtonbesuch brachte ihm Zusagen über Hilfen von 405 Millionen US-Dollar ein. Folglich erwarten Menschenrechtler auch von Bundeskanzler Gerhard Schröder kaum Unterstützung.

„Diese Doppelmoral begreife ich nicht“, sagt der usbekische Dissident Schuchrat Babadjan. „Um die Region zu stabiliseren, muss doch vor allem die Demokratisierung unterstützt werden.“ Zumindest versucht Karimow, die Form zu wahren: Dieser Tage wurde der Oberzensor Erkin Kamilow entlassen.

BARBARA OERTEL

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