: Pflege als Privatvergnügen
Senat prüft Privatisierung von „pflegen und wohnen“. Der Personalrat erwartet die Aushöhlung von Tarifen und eine Zwei-Klassen-Gesellschaft der Bedürftigen. Vor allem die Frage der Pensionslasten ist ungeklärt
Der Rechtssenat hat wieder etwas auf seiner Sparliste abzuhaken. Zurzeit wird geprüft, wie der städtische Pflegebetrieb pflegen und wohnen p&w privatisiert werden kann. Die Umsetzung soll noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden. Das hat die Sprecherin der Sozialbehörde, Anika Wichert, gestern bestätigt. Unter der Ägide des Behörden-Staatsrats Klaus Meister wird momentan untersucht, wie die Pflege- und Altenheime und die Wohnunterkünfte in der Stadt in private Hand umgewidmet werden können. Der Personalrat und die Gewerkschaften betrachten dies mit großer Sorge: Sie befürchten Stellenabbau, eine Unterhöhlung der Tarife für das Personal und eine Zwei-Klassen-Gesellschaft für PatientInnen und Bedürftige.
14 Pflegenzentren mit rund 3800 Plätzen, 75 Wohnunterkünfte für 17.000 Menschen, Betreuung und Rehabilitation für Menschen mit Behinderungen – pflegen und wohnen gehört zu den Großbetrieben der Stadt, seit 1994 als selbständiges Unternehmen unter staatlicher Aufsicht geführt. Unter den MitarbeiterInnen gebe es seit dem Regierungswechsel viel Unruhe, sagt Personalratschef Bernd Ricanek. Schließlich machte der Senat bereits in der Koalitionsvereinbarung keinen Hehl daraus, dass er p&w privatisieren will. Für das Personal, davon ist Ricanek überzeugt, würde das eine Aufweichung der Tarife mit sich bringen. „Unsere Leute verdienen nicht üppig, aber haben zumindest tarifliche Sicherheit“, sagt Ricanek – und das werde sich dann wohl ändern.
Dabei haben die Beschäftigten bereits seit Jahren Vorleistungen gebracht, betont der Personalratschef. So sind seit 1994 bereits 1800 Arbeitsplätze abgebaut worden, bei der Altersversorgung hat man ebenfalls Abstriche gemacht.
Dem Senat reicht das nicht. Betreuung ist nicht billig, Instandhaltung und Sanierung von Heimen auch nicht, das sind Kosten, die die Sozialsenatorin gerne abgeben würde. Wobei sich der Behörde vor allem die Aufgabe stellt, privaten Investoren den Kauf von p&w-Betrieben schmackhaft zu machen und gleichzeitig das Pensionsproblem des Unternehmens zu lösen. Gut 150 Millionen Euro Pensionslasten schleppt das Unternehmen seit Jahren mit sich herum – Kosten, die kein Privater freiwillig übernehmen würde.
Für Ricanek ist offensichtlich, wie es ausgehen wird: „Die Heime, die lukrativ sind, finden Abnehmer, andere verkommen zu Armenhäusern.“ Bisher sei es gerade der Anspruch von p&w gewesen: „Wir nehmen alle auf, und alle haben das Recht, gleich behandelt zu werden.“ Er weist daraufhin, dass „unsere Pflegekräfte theoretisch gar nicht wussten, ob sie da einen reichen Menschen pflegen oder einen Sozialhilfeempfänger“.
Auch bei den Wohnunterkünften für Flüchtlinge schwant ihm nichts gutes: „Wenn man bedenkt, wie in den 80ern und 90ern einige Hoteliers auf St. Pauli ihre Kaschemmen grundsaniert haben, in dem sie sich an der Aufnahme von Flüchtlingen eine goldene Nase verdienten – hier wird ein Tor geöffnet, das man lieber zulassen sollte.“
Peter Ahrens
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