: Warszawa oklaskuje Wowereita
Warschau feiert Klaus Wowereit – als Sänger, Tänzer und Regierenden Bürgermeister. Doch was bedeutet die Städtepartnerschaft für beide Hauptstädte wirklich? Statements von den Berlin-Tagen in Warschau und drum herum
gesammelt von UWE RADA
Der Sänger
Klaus Wowereit: Die Partnerschaft zwischen Berlin und Warschau ist eine sehr intensive. Aber man kann auch noch mehr machen. Der größte Teil der Berliner Delegation ist mit dem Zug angereist, um zu zeigen, wie nahe beide Städte schon zusammengerückt sind. Die Fahrt dauert heute sechs Stunden. Aber das muss natürlich noch verbessert werden, vor allem auf der deutschen Seite.
Klaus Wowereit ist Regierender Bürgermeister von Berlin
Der Gastgeber
Wojciech Kozak: Für mich als Stadtpräsident sind die Berlin-Tage in Warschau aus drei Gründen wichtig. Zum einen wegen der hervorragenden Präsentation der Berliner Kultur. Dann ist Berlin unser wichtigster Partner auf dem Weg in die Europäische Union. Schließlich kooperieren beide Städte mit gemeinsamen Projekten, wie etwa der Plattenbausanierung.
Wojciech Kozak ist Stadtpräsident von Warschau
Der Botschafter
Friedrich Däuble: Viele Partnerschaften gehen über die normalen Beziehungen nicht hinaus. Die Städtepartnerschaft Berlin/Warschau ist dagegen von hoher Symbolkraft. Sie zeigt, dass die Stadt, die zu den schlimmsten Kriegsopfern gehört, heute ganz normal mit einer Stadt zusammenarbeitet, von der dieser Krieg ausgegangen ist. Doch die Geschichte ist nur das eine. Berlin wird von vielen jungen Warschauern heute ganz selbstverständlich als Stadt angenommen, nicht nur wegen der Love Parade.
Friedrich Däuble arbeitet bei der Politischen Abteilung der Deutschen Botschaft in Warschau
Die NGO-Frau
Agnieszka Rochon: Die Städtepartnerschaft wird von vielen Polen so betrachtet, dass sie sich vor allem auf die wirtschaftlichen Kontakte konzentriert. Es gibt im Programm der Berlin-Tage zum Beispiel keine Begegnungen zwischen NGOs. Aber bei den Warschau-Tagen in Berlin ist das auch so. Ich glaube, das ist generell das Problem bei Städtepartnerschaften.
Agnieszka Rochon leitet das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Warschau
Die Verwaltungsexpertin
Cornelia Poczka: Jeder von uns hat im Grunde sein eigenes Programm gemacht. Ich war heute in Warschau-Białołęka, wo es derzeit ein sehr großes Bauprogramm für Plattenbausiedlungen gibt. Berlin ist ja auch Kompetenzzentrum für Plattenbausanierung, und ich hoffe, dass das der Anfang einer weiter gehenden Zusammenarbeit ist.
Cornelia Poczka leitet das Referat Internationales beim Stadtentwicklungssenator
Die Optimistin
Sibyll Klotz: Die Berlin-Tage in Warschau können der Berliner Bevölkerung, vor allem den Westberlinern, begreifbar machen, dass Berlin eine Grenzstadt zu Polen ist. Berlin hat sehr viele Städtepartnerschaften. Doch die mit Warschau ist etwas Besonderes. Wir können heute wieder auf Augenhöhe kooperieren, ohne die Geschichte zu vergessen. Und wir können sehen, dass Warschau eine junge Stadt ist, mit viel Optimismus und Aufbruch.
Sibyll Klotz ist Fraktionsvorsitzende der Grünen in Berlin
Der Mahner
Gregor Hoffmann: Je mehr Berliner nach Warschau fahren, desto mehr können alte Vorurteile abgebaut werden. Das ist auch wichtig, um eine gewisse Angst in Deutschland vor dem EU-Beitritt Polens zu bekämpfen. Interessant ist aber auch die Stadtplanung. In Warschau stellt sich vor allem die Frage, wie die Entwicklung in den Randgebieten weitergeht, ohne dass diese von der Entwicklung im Zentrum abgehängt werden.
Gregor Hoffmann ist Abgeordneter der CDU
Der Bürgerfreund
Harald Wolf: Was man künftig besser machen kann und stärker entwicklen muss, sind die Partnerschaften von unten. Solche Partnerschaften könnten das, was es schon an Kontakten gibt, sinnvoll ergänzen. Das muss man wirklich deutlich was ändern. Im Rahmen der Städtepartnerschaft muss man auch noch viel tun, um das Bild Polens in Deutschland und insbesondere in Berlin zu ändern. Berlin blickt noch viel zu sehr nach Westen. Es existieren viel zu wenig Erfahrungen mit Polen und mit der Realiät in Polen.
Harald Wolf ist Vorsitzender der Berliner PDS-Fraktion
Der Wirtschaftsmann
Wolfram O. Martinsen: Das Neue an der Begegnung in diesem Jahr ist, dass sehr konkret schon über Projekte gesprochen wurde. Bei den ersten zwei oder drei Begegnungen ging es noch mehr um die Entwicklung einer Begegnungskultur. Jetzt sind wir bei der Entwicklung einer Businesskultur. Da ist der geplante U-Bahn-Bau, da ist die geplante Beteiligung Berliner Unternehmen am Ausbau der Wasserversorgung. Da geht es um zwei neue Klärwerke. Dann ist da der Bau einer neuen Brücke über die Weichsel und die Beteiligung der Berliner bei der Plattenbausanierung in Warschau.
Wolfram O. Martinsen ist der Osteuropabeauftragte des Regierenden Bürgermeisters
Die Unternehmerin
Solange Olszewska: Ich fand es super, dass Wowereit mit dem Zug gekommen ist und dass er heute mit dem Bus durch Warschau gefahren ist. Dann ist er in der Stadt zu sehen und nicht nur in der Limousine. Was für mich als Unternehmerin an der Städtepartnerschaft interessant ist, ist das Thema Transport. Meine Vision ist, dass wir einen Monat lang im Jahr junge Menschen kostenlos mit Bussen zwischen beiden Städten hin- und hertransportieren. Zum Beispiel im Mai. So etwas lässt sich organisieren, wenn man es will.
Solange Olszewska ist Chefin des deutsch-polnischen Busherstellers Solaris
Die Organisatorin
Erika Schneider: Das ist jetzt bereits die dritte Veranstaltung, die wir haben. Aus einigen Fehlern der ersten haben wir gelernt. Und gestern und heute haben wir Erfahrungen gesammelt, wie man die vierte und fünfte noch besser machen kann. Ich meine, man könnte noch gezielter das Publikum einladen, das zu den entsprechenden Veranstaltungen passt. Gerade auch den Auftritt des Berliner DJs. Das wollen wir auch schon in Berlin machen. Der nächste Besuch wird ja in Berlin stattfinden. Der Regierende hat den Warschauer Stadtpräsidenten eingeladen und der hat auch zugesagt.
Erika Schneider arbeitet in der Protokollabteilung der Berliner Senatskanzlei
Der Netzwerker
Martin Lindner: Das Gute daran ist die Vielfalt des Programms. Sie haben sowohl kulturelle Aspekte als auch Wirtschaftsthemen. Was ich insgesamt für verbesserungswürdig halte, ist der Aufbau eines Netzwerkes hier in Warschau. Das war auch das Ergebnis vieler Gespräche, die ich geführt habe.
Martin Lindner ist Vorsitzender der Berliner FDP-Fraktion
Die Kritikerin
Joanna Kiliszek: Bei den Berlin-Tagen ist vieles ergänzungsbedürftig. Eigentlich sollte es unter Städten, die sich beide zu Metropolen zählen, auch ein Programm geben, das zu diesem Anspruch passt. Berlin verkauft sich ja immer als Kulturmetropole, aber im Programm war kaum Kultur. Das betrifft auch die Städtepartnerschaft als Ganzes. Es wäre wünschenswert, wenn es da zu einem wirklichen Austausch zwischen zwei Städten käme und nicht nur einem kommunalen Austausch.
Joanna Kiliszek ist Leiterin des Polnischen Instituts in Berlin
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