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Der Tiger als trojanisches Pferd

Seit Februar schweigen in Sri Lanka die Waffen zwischen der Armee und der Guerillabewegung „Tamil Tigers“. Aber nach sich häufenden Merkwürdigkeiten wächst unter Politikern das Misstrauen über die wahren Absichten der Tamilenguerilla

War das Safarihemd des Guerillaführers nur ein weiterer Tarnanzug?

von BERNARD IMHASLY

Aufbruchsstimmung in Sri Lanka: Die ständige Angst vor Attentaten der tamilischen Guerilla ist gewichen, und mit einem Mal öffnet sich das Land wieder. Man kann ohne Sorge in die einst belagerte Tamilenstadt Jaffna im Norden der Insel fahren oder an die verlassenen Touristenstrände von Trincomalee und Batticaloa im Osten, genauso wie Tamilen aus dem Norden nun wieder ohne Schikanen in die Hauptstadt reisen können. Der Waffenstillstand vom 24. Februar zwischen der Regierung und der tamilischen Befreiungsorganisation LTTE hat das Selbstverständnis des Landes beinahe über Nacht verändert.

Premierminister Wickremesinghe hatte mit seiner Reise nach Jaffna den Bann gebrochen, und mit dem Besuch eines Hindu-Tempels gab der Buddhist dort auch einen ersten Anstoß zur Überwindung der Vorurteile zwischen den Hindu-Tamilen und den buddhistischen Singhalesen. Im Sommer werden in Thailand die ersten Friedensgespräche stattfinden.

Doch inzwischen macht sich wieder Realismus breit. Verantwortlich dafür war in erster Linie die Pressekonferenz von LTTE-Chef Vellupillai Prabhakaran am 10. April. Die große Ankündigung des Auftritts hatte viele Srilanker zu der Annahme verleitet, der Rebellenführer werde die politisch riskante Geste von Premierminister Wickremesinghe mit einer ebenso generösen Ankündigung vom Ende der Gewalt seiner Guerilla honorieren. Stattdessen hielt Prabhakaran am Recht des bewaffneten Kampfes fest, er gab das Ziel eines unabhängigen Staates „Tamil Eelam“ nicht auf und sprach von Autonomie als einer Interimslösung. Lediglich die Zivilkleidung anstelle des Kampfanzugs sollte der Welt beweisen, dass der Dschungelkrieger kein Terrrorist, sondern ein politischer Führer war. Doch seine Antworten schienen zu zeigen, dass das Safarihemd nur ein weiterer Tarnanzug für einen Guerillaführer war, der in 25 Jahren nie von seinem Ziel abgewichen ist.

Der Auftritt Prabhakarans gab den Gegnern des Friedensprozesses unter den Singhalesen Auftrieb und festigte ihre Skepsis gegenüber dem forschen Tempo des Premierministers. Dann kamen sus den früher umkämpften Gebieten im Osten des Landes Berichte, wonach die LTTE ihre Praxis von Kinderrekrutierung, von Entführung und Erpressung und vor allem ihre antimuslimische Haltung nicht aufgegeben hatte. Prabhakaran reagierte zwar rasch, indem er sich schriftlich verpflichtete, die muslimische Minderheit zu schützen, und amnesty international einlud, LTTE-Gebiete zu besuchen. Die Freizügigkeit zum Reisen in diese Regionen bleibt gewährleistet, doch um zu zeigen, dass die Tamil Tiger an der Idee eines souveränen Staats festhalten, erheben diese eine Transitgebühr für Durchreisende und Zollgebühren für mitgebrachte Waren. All dies bestärkte die Skepsis nicht nur der chauvinistischen Partei JVP, sondern auch der „Sri Lanka Freedom Party“ (SLFP) von Präsidentin Chandrika Kumaratunga.

Inzwischen kam es zu ersten Zwischenfällen. Am 24. April brachte die srilankische Marine auf der Höhe von Trincomalee drei LTTE-Schnellboote auf und blockierte ihre Weiterfahrt, weil sie neben Kadern auch Waffen transportierten – eine Verletzung des Waffenstillstandsvertrags. Die Behörden schalteten sofort die norwegische Überwachungskommission ein, welche die Boote nach einer Inspektion freigab.

Eine Woche später jagten srilankische Schiffe zwei LTTE-Boote. Eines der Boote explodierte, ohne beschossen worden zu sein, das zweite Boot kam unter Feuer und sank. Während die LTTE der Regierung vorwarf, Fischerboote angegriffen und zwei Fischer getötet zu haben, präsentierte die Marine den norwegischen Beobachtern Kisten mit Munition.

Diese Ereignisse haben alte singhalesische Ängste wiedererweckt, dass die LTTE die Feuerpause nutzt, um sich mit Waffen einzudecken. Präsidentin Kumaratunga macht sich zum Sprachrohr dieses Misstrauens. Sie unterstützt zwar das Abkommen, doch hatte sie es nicht mit unterschrieben. Bei einem kürzlichen Treffen der radikalen JVP, die jedes Gespräch mit den „Tamil Tigers“ zurückweist, saß auf der Ehrentribüne ihr Bruder Anura Bandaranaike, ein prominenter Vertreter ihrer Partei SLFP.

Diese hat inzwischen in einem Positionspapier ihre Differenzen gegenüber dem Fahrplan der Regierung öffentlich gemacht. Sie ist gegen die Vorschläge der Regierung, den Wunsch der Tiger für eine Interimsverwaltung unter LTTE-Kontrolle im Nordosten zu diskutieren und die LTTE zu legalisieren. Dies würde das Tamilengebiet der LTTE ausliefern, bevor diese das Ziel der Sezession aufgegeben hat, und eine legale LTTE würde ihren „totalitären“ Alleinvertretungsanspruch durchsetzen, fürchtet die Opposition. Die Regierung hingegen meint, dass der Wiederaufbau der kriegsversehrten Nordregion undenkbar sei ohne den Einbezug der LTTE. Entwicklungsgelder würden nicht fließen, solange die bestimmende politische Kraft vor Ort geächtet bleibt. Je näher das Datum der Verhandlungen rückt, desto mehr mischt sich in die Freude über das Ende der Kampfhandlungen die Einsicht, dass die Gräben von 20 Jahren Bürgerkrieg nicht sofort zu überbrücken sind.

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