: Noch mehr Ziele in Afghanistan
Die US-Truppen haben erstmals versucht, einen lokalen Kriegsherrn zu töten, der weder den Taliban noch dem Al-Qaida-Netzwerk angehört. Damit wollen die USA die afghanische Regierung stützen. Experten kritisieren Gesamtstrategie Bushs
von SUSANNE AMANN
Sehr nah dran an der afghanischen Wirklichkeit muss sich Bundeskanzler Gerhard Schröder am Donnerstagabend gefühlt haben, als sich kurz nach dem Abflug aus Kabul in Richtung Usbekistan in seiner Maschine das automatische Raketenabwehrsystem auslöste. Doch die Transall-Maschine der Bundeswehr hielt ein heftiges Gewitter für Boden-Luft-Raketen.
Sehr real war dagegen eine Rakete, die am Montag von einem unbemannten US-amerikanischen Aufklärungsflugzeug auf einen Fahrzeug-Konvoi außerhalb Kabuls gefeuert worden war. Laut New York Times vom Freitag sollte dabei der ehemalige Mudschaheddin Gulbuddin Hekmatjar getötet werden, der nach Angaben des CIA und des Pentagons die afghanische Übergangsregierung von Regierungschef Hamid Karsai stürzen wollte. „Wir hatten Informationen, dass er Angriffe auf die alliierten Truppen, die Interimsregierung und auf Karsai selbst plante“, so ein Sprecher des Pentagons. Nach offiziellen Angaben wurde Hekmatjar bei dem Angriff allerdings nicht getötet.
Der Angriff auf Hekmatjar ist der erste Versuch der US-Truppen, einen örtlichen Kriegsherrn in Afghanistan zu töten, der weder den Taliban noch dem Al-Qaida-Netzwerk angehört. Der Angriff ist Teil einer neuen US-Strategie, mit der die Regierung in Afghanistan unterstützt und stabilisiert werden soll. Der frühere Ministerpräsident Hekmatjar war im Machtkampf der verschiedenen Mudschaheddinführer nach dem Abzug der Sowjettruppen aus Afghanistan im Jahr 1989 weitgehend für die Zerstörung Kabuls verantwortlich. Obwohl er während der Herrschaft der Taliban im Exil im Iran lebte, hatte er deren Vertreibung durch die US-Amerikaner kritisiert.
Britische Truppen der Anti-Terror-Koalition haben unterdessen am Donnerstag in der Provinz Paktika im Osten Afghanistans ein großes Waffenlager entdeckt, das sie dem Al-Qaida-Netzwerk zuordnen. In vier 30 bis 50 Meter langen Höhlen befanden sich nach Angaben eines Sprechers mindestens 20 Lkw-Ladungen mit Waffen und Munition, darunter Mörsergranaten, Raketengeschosse und raketengesteuerte Granaten. Nach Geheimdiensthinweisen sei das Versteck erst vor kurzem angelegt worden. Die meisten Waffen, so der Sprecher, würden direkt vor Ort zerstört, der Rest an die afghanische Interimsregierung übergeben werden.
Ebenfalls am Donnerstag wurde Kritik am US-amerikanischen Anti-Terror-Kampf laut. Dieser dürfe nicht ausschließlich auf militärische Lösungen setzen, sagte der Direktor des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS), John Chipman, bei der Vorstellung des Jahresberichtes 2001/02 seines Institutes. Die Weigerung der USA, am Aufbau von Staaten teilzuhaben, sei eine „strategische Fahrlässigkeit“, denn militärisches Handeln allein könne den eigentlichen Grund des Terrorismus nicht beseitigen. Chipman kritisierte in diesem Zusammenhang auch die amerikanische Nahost-Politik und warnte vor einem Krieg gegen den Irak.
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