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Die heimlichen Managerinnen

Frauenjobs wie der Beruf der Sekretärin werden unterbewertet, sagen Forscher. Die BAT-Tabellen erfassen die Management- und Fachkenntnisse nicht, die viele Sekretärinnen haben müssen. In England haben die Frauen Neubewertung eingeklagt

von HEIDE OESTREICH

Früher wurden sie gerne als Körperteil ihres Chefs, als „rechte Hand“, bezeichnet. Dass viele Sekretärinnen mehr sind als ausführende Organe ihrer Führungskraft, hat sich inzwischen zwar herumgesprochen. Nur in ihrer Bezahlung schlägt es sich nicht nieder. Wenn Hochschulsekretärinnen etwa den Vorlesungsbetrieb mitorganisieren, Tagungen vor- und nachbereiten oder Berufungsverfahren koordinieren, dann hat das eher mit Sachbearbeitung und Management zu tun.

ArbeitswissenschaftlerInnen haben schon seit längerem analytische Bewertungssysteme entwickelt, mit denen sie nachweisen können, ob alle Anforderungen einer Arbeit auch in ihre Bewertung einbezogen werden (siehe Kasten). Mit einem solchen System haben nun Hochschulsekretärinnen in Deutschland ihre Arbeit bewertet und sie mit Tätigkeiten verglichen, die eher von Männern ausgeführt werden. Hausmeister, Techniker oder Gerätebetreuer haben sich dem Feldversuch angeschlossen.

Das Ergebnis: Einige der Anforderungen an Sekretariatsarbeiten werden grob unterschätzt. So müssen Sekretärinnen weitaus häufiger mit Fremden kooperieren als die Männer in der Vergleichsgruppe. Ungleich häufiger werde ihre Arbeit unterbrochen, was erhöhte Anforderungen an die Konzentration stellt. Aber nicht nur typische Frauenarbeiten, auch die Arbeit von Hausmeistern werde im öffentlichen Dienst unterbewertet, stellten die Wissenschaftler der Sozialforschungsstelle Dortmund fest, die das Projekt durchführte.

Ein Teil der Unterbewertung von typischen Frauenarbeiten kommt zustande, weil Sekretärinnen etwa im Angestellten-Tarifvertrag, dem BAT, einsortiert werden, für Arbeiter und Arbeiterinnen aber ein ganz anderer Tarifvertrag gilt, der Manteltarif für ArbeiterInnen.

Der Sekretärinnenjob wird im BAT eher grob charakterisiert: „Fachkenntnisse“ heißt es im Anforderungsprofil. Arbeiter und Arbeiterinnen dagegen werden im Tarifvertrag in lyrischen Ergüssen gewürdigt: „hochwertig“ und „vielseitig“ ist ihre Arbeit, „umsichtig“ und „zuverlässig“ müssen sie sein. Ergebnis: Sekretärinnen, bezahlt nach BAT VII, haben 1.946,70 Euro brutto auf ihrem Gehaltszettel, die vergleichbaren Handwerker, bezahlt nach Manteltarif 7a, dagegen 2.217,90 Euro brutto.

Würden die Anforderungskriterien nach einem einheitlichen Maßstab geordnet, dann könnte eine solche indirekte Diskriminierung nicht stattfinden. Pikanterweise verbietet die EU-Entgeltrichtlinie sogar uneinheitliche und untransparente Bewertungssysteme wie die im BAT angewendeten. In England haben Sekretärinnen deshalb mit Massenklagen eine Umgestaltung ihres Tarifsystems erreicht.

In Deutschland sind solche Verbandsklagen nicht erlaubt, nur einzelne Arbeitnehmerinnen könnten gegen den BAT klagen. Wenn das zuständige Arbeitsgericht den Fall dann dem EuGH vorlegen würde, könnte der den gesamten BAT für rechtswidrig erklären.

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