: Industrie unzufrieden mit Metallabschluss
Aber Analysten und Volkswirtschaftler sehen durch 3,5 Prozent plus keine schädlichen Auswirkungen auf Arbeitsmarkt
BERLIN taz/rtr/dpa/ap ■ Die Wirtschaft mäkelt am Tarifabschluss herum, den die Verhandlungspartner der Metall- und Elektroindustrie am Mittwochabend in Baden-Württemberg erzielten. Der Präsident der deutschen Arbeitgeber, Dieter Hundt, meinte gestern, das Plus von 4,0 Prozent Lohns für die Metallbeschäftigten im Jahr 2002 sei „für viele Betriebe nur schwer verkraftbar“. Es sei ein „erpresster Abschluss“ erzielt worden: „Der unverantwortliche Arbeitskampf der IG Metall hat zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden geführt.“
Andere Industrievertreter unterstützten die Kritik des Präsidenten der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände. Martin Kannegießer, der Chef von Gesamtmetall, sagte eine dämpfende Wirkung auf den Arbeitsmarkt voraus. Der Abschluss „wird sicherlich nicht den Beschäftigungsaufbau fördern“. Die Maschinenbaubranche teilte mit, die Einigung sei beschäftigungsfeindlich und für viele Betriebe nicht verkraftbar.
Der neue Tarifvertrag sieht Einkommenserhöhungen in zwei Stufen vor. Ab dem 1. Juni 2002 erhalten die Beschäftigten 4,0 Prozent mehr Geld, ab dem 1. Juni 2003 folgt eine Erhöhung um 3,1 Prozent. Der Vertrag läuft bis 31. Dezember 2003. Im Schnitt entstehe den Unternehmen eine Kostenbelastung von 3,37 Prozent, hieß es.
Der Tarifvertrag enthält freilich eine Klausel, die den Arbeitgebern gefällt – auf Antrag können gefährdete Betriebe separat einen geringere Lohnerhöhung aushandeln. Gesamtmetall-Chef Kannegießer hob diese Option besonders hervor. Abweichungen von Flächentarifverträgen gebe es faktisch heute schon, nun seien sie erstmals als Klausel in einem Tarifvertrag festgeschrieben. „Das ist das Buch zum Film“, sagte Kannegießer.
Anders als die Wirtschaft beurteilen Volkswirte den Abschluss positiv. Der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, erwartet „keine besonderen Effekte auf Inflation oder auch Beschäftigung“. Der erwartete schwache Aufschwung im Herbst werde durch die Vereinbarung weder gefährdet, noch nutze ihm diese.
„Mit dem Abschluss kann man gut leben, er erhöht die Inflation nicht und gefährdet auch den Aufschwung nicht“, sagte auch Manuela Preuschl von der Deutschen Bank. Peter Meister von der BHF Bank sagte, „das weicht nicht sehr stark vom letzten Angebot der Arbeitgeber von 3,3 Prozent ab, der Streik hat sich deshalb eigentlich nicht gelohnt“. Nach Ansicht der Volkswirte werde nun auch die Europäische Zentralbank keine wachsenden Inflationsgefahren sehen. Die derzeit schwache private Nachfrage werde von dreieinhalb Prozent nicht angeheizt. EZB-Chef Wim Duisenberg hatte zu Beginn des Streiks vor zu hohen Lohnabschlüssen gewarnt.
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