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Die sparsamen Steuerzahler

Der öffentlichen Hand fehlen Milliardenbeträge. Bei den Ausfällen durch die rot-grüne Steuerreform hat sich der Finanzminister mächtig verschätzt

aus Berlin BEATE WILLMS

Eines muss man Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) zugestehen: Als Politiker beherrscht er seinen Job. Selbst dem gestern vorgestellten Ergebnis der aktuellen Steuerschätzung wusste er noch einen positiven Aspekt abzugewinnen. Rund 454,8 Milliarden Euro werden Bund, Länder und Gemeinden in diesem Jahr voraussichtlich einnehmen, rund 11,7 Milliarden Euro weniger, als die hochrangigen Experten des Arbeitskreises noch im November letzten Jahres prognostiziert hatten. 5,5 Milliarden Euro davon fehlen dem Bund, 5,2 Milliarden den Ländern und rund eine Milliarde den Gemeinden und Kommunen.

Bis zum Jahr 2005 wird sich die Abweichung zur letzten Schätzung auf 65,3 Milliarden Euro summieren (siehe Grafik). Und all das vor dem Hintergrund einer akuten Finanzkrise vor allem in den Städten und Gemeinden, die bereits im vergangenen Jahr zur Schließung von öffentlichen Einrichtungen wie Bädern, Zoos, aber auch Feuerwehren und Schulen geführt hat. Und angesichts einer Staatsverschuldung, die der Bundesfinanzminister auf Druck der Europäischen Union in den nächsten Jahren rapide zurückfahren muss. Kein unlösbares Problem, findet der Finanzminister. Die rot-grüne Steuerreform habe die „Nachfrageseite stärken und die Angebotsbedingungen verbessern“ sollen, damit die Arbeitnehmer mehr kaufen und die Unternehmen mehr investieren können.

Vordergründig ist genau das gelungen: Durch die Reform haben die Steuerzahler, also Privathaushalte und vor allem Unternehmen, mehr Geld in der Tasche. Dass das nicht gereicht hat, die Wirtschaft zu stimulieren, dass die niedrigeren Steuertarife durch eine größere Summe an Steuern ausgleichen kann, sei ein Problem der außergewöhnlich schlechten weltwirtschaftlichen Konjunktur, so Eichel. Und ein Problem, das in naher Zukunft überwunden sein werde. „Ich bin zuversichtlich, dass die Konjunktur anzieht“, sagte er. Dann gebe es keine Schwierigkeiten, im Jahr 2004 wie geplant einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu schaffen.

Anders sieht das die Opposition. Die Ergebnisse der Steuerschätzung seien „alarmierend, katastrophal“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dietrich Austermann. Zunächst gehe es ums Sparen. Ansonsten setzt er aber auf das gleiche Rezept wie Eichel – eine „wachstumsfördernde Steuerpolitik mit wachstumsinduzierten Steuereinnahmen“.

Genau das aber ist für den Bremer Finanzwissenschaftler Rudolf Hickel der falsche Weg. Die Ergebnisse der Steuerschätzung seien nur zu einem Teil der Konjunktur anzulasten, sagte Hickel der taz. Die Finanznöte der Länder und Gemeinden würden auch durch einen Aufschwung nicht gelöst. Die Hauptursache der Steuerrückgänge seien Steuerrechtsänderungen vor allem im Rahmen der Unternehmenssteuerreform. „Die Steuersenkungspolitik des Bundesfinanzministers, die die Unternehmen zu mehr Investitionen verleiten sollte, hat nicht funktioniert“, so Hickel. „Und das in zweifacher Hinsicht: Sie hat nicht zu mehr Wachstum geführt und gleichzeitig den öffentlichen Sektor geschwächt.“

Tatsächlich scheint nicht nur das Prinzip, sondern auch manch einzelne Maßnahme der Steuerreform nicht ganz so wohl überlegt gewesen zu sein. So hatte sich das Finanzministerium mächtig bei der Höhe der Ausfälle verschätzt, die durch den steuerbefreiten Verkauf von Unternehmensbeteiligungen entstehen (siehe unten).

Ähnlich ist es mit einer Verschlechterung der Abschreibungsmöglichkeiten, die eigentlich zur Gegenfinanzierung gedacht waren. Die Verlängerung der Abschreibungszeiträume bedeutet aber nur, dass die Unternehmen in einem Jahr weniger vom steuerpflichtigen Gewinn absetzen dürfen und deshalb am Anfang mehr Steuern bezahlen müssen. An der Abschreibungssumme insgesamt ändert sich nichts, sodass in den folgenden Jahren weniger Steuern anfallen. Hinzu kommt, dass untereinander verflochtene Gesellschaften ihre Gewinne und Verluste neuerdings miteinander verrechnen können. Dieser Kniff, den Finanzexperten als „gewerbesteuerliche Organschaft“ bezeichnen, eröffnet den Firmen ungeahnte Möglichkeiten: Sie zerlegen ihren Konzern in Untergruppen und fasen ihn – je nach Bedarf – so zu Teileinheiten zusammen, dass für den Fiskus am Ende gar nichts mehr übrig bleibt.

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