: Körting befürchtet kein zweites Genua
Innensenator beruhigt Besorgnis über Krawalle vor dem Besuch des US-Präsidenten. Bisher gibt es keine Erkenntnisse über einen Zusammenhang zwischen dem Staatsbesuch und einem vereitelten Supermarkt-Anschlag vom Donnerstag
Eigentlich gilt Ehrhart Körting als ein Mann, der seine Worte mit Bedacht wählt. Gestern aber wählte der sozialdemokratische Innensenator gleich mehrmals den Superlativ. „Die vielleicht schwierigste Polizeifunktion in der Bundesrepublik Deutschland“ trete Dieter Glietsch als neuer Berliner Polizeipräsident an, erklärte Körting gestern bei der Vorstellung des 54-Jährigen aus Nordrhein-Westfalen.
Die erste Bewährungsprobe für den Neuen gibt es schon Mitte kommender Woche beim „größten Polizeieinsatz in der Geschichte Berlins“ (Körting-Superlativ Nr. 2). Zehntausend Polizisten – dieser Schätzung widersprach der Innensenator auf Nachfrage ausdrücklich nicht – werden zum Besuch des amerikanischen Präsidenten in der deutschen Hauptstadt eingesetzt. Berichte, die eigentliche Leitung der Sicherheitsmaßnahmen liege in amerikanischer Hand, kommentierte der Innensenator so: „Wir hören uns Ratschläge an, aber die Berliner Polizei wickelt den Einsatz ab. Alles andere ist Legende.“
Die Taktik der Polizei wird sich deutlich vom Vorgehen der Beamten um den 1. Mai herum unterscheiden. Zur Bush-Visite soll die Polizei am Rande der Demonstrationen „massiv präsent“ sein, eine hohe Eingriffsschwelle wird diesmal nicht in Aussicht gestellt. Zudem soll ein „behutsamer Schleier von Polizei über der ganzen Stadt liegen“ (Körting).
Der Aufwand ist also enorm, dabei gibt es bisher keine Erkenntnisse über ein besonderes Gefahrenpotenzial. Die Veranstalter der Kundgebung hätten selbst großes Interesse, diese friedlich zu gestalten, so Körting. Auch die palästinensische Gemeinde in Berlin könne man „kalkulieren“. Am Rande der Demonstrationen sei jedoch Randale möglich.
„Wir gehen nicht davon aus, dass wir ein zweites Genua erleben“, so Körting: „Wir erwarten keine Welle von Gewalttouristen.“ Im Juli 2002 war es in der ligurischen Hafenstadt zu Straßenschlachten zwischen Globalisierungskritikern aus ganz Europa und italienischer Polizei gekommen. Einer der Demonstranten wurde bei den Auseinandersetzungen getötet.
Im Bezirk Mitte werden am 22. und 23. Mai zeitweise Straßen abgesperrt. Dafür bat Körting die Anwohner um Verständnis. Ein Bericht der Berliner Morgenpost, wonach Berlin im Zuge des Bush-Besuchs ein Flugverbot für 48 Stunden drohe, hat sich dagegen nicht bestätigt. „Während Ankunft und Abflug der Präsidentenmaschine wird der Flugraum für jeweils 15 Minuten gesperrt“, sagte ein Sprecher der Berliner Flughäfen. Die Airports blieben aber geöffnet, die Flugpläne dürften weitgehend eingehalten werden. „Es wird keine nennenswerten Verzögerungen durch den Bush-Besuch geben.“ Allerdings bestehen nach Polizeiangaben während der Anwesenheit von Bush Flugbeschränkungen für Kleinflugzeuge, Ballone, Zeppeline und Hubschrauber.
Erkenntnisse über einen Zusammenhang zwischen dem Staatsbesuch und dem versuchten Brandanschlag auf das Einkaufszentrum der US-Kette Wal Mart in Neukölln am Donnerstagabend gibt es bisher nicht. Mitarbeiter des Supermarkts hatten am Donnerstagabend gegen 18.45 Uhr zwei Keksdosen gefunden, an denen Drähte und Uhren hingen. Darin enthalten waren funktionstüchtige Brandsätze. Die Polizei ließ das Einkaufszentrum räumen, Spezialisten des Landeskriminalamts entschärften die Brandsätze.
Der neue Polizeipräsident gab sich angesichts des Großeinsatzes zu Beginn seiner Amtszeit demonstrativ gelassen. Er freue sich auf den Besuch von Bush, so Glietsch. „Eine gute Gelegenheit für die Berliner Polizei, die Öffentlichkeit von ihrer hohen Professionalität zu überzeugen.“
ROBIN ALEXANDER
MARKUS MAXIMILIAN POHL
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