: Mr Wowereit, open this gate!
Vor 15 Jahren forderte Ronald Reagan die Öffnung des Brandenburger Tores. Zwei Jahre später hörten die Berliner auf ihn. Doch wenn morgen Reagans Nachfolger George W. Bush nach Berlin kommt, ist das Tor wieder dicht. Kein schöner Empfang
von UWE RADA
Morgen kommt der amerikanische Präsident nach Berlin, schaut auf diese Stadt, und was sieht er? Demonstranten, friedliche und weniger friedliche, regierungsunabhängige und solche mit regierendem Parteibuch. Kein schöner Anblick für George W. Bush, dessen Vater bereits einmal, als US-Vizepräsident 1984, den Antiamerikanismus der Frontstädter zu spüren bekommen hat.
Und noch immer steht es schlecht um die Dankbarkeit der Berliner für ihre ehemalige Schutzmacht. Was haben die Amerikaner nicht alles für uns getan? Die Freiheit haben sie uns erhalten, mit Rosinenbombern haben sie uns ernährt, später haben sie uns sogar die Souveränität wieder gegeben. Und unser Dank? Farbeier, Randale, ein militanter Widerstand also, der sich administrativ bis in den Stellungskrieg der Strieder-Verwaltung um ein paar Zentimeter Sicherheitsabstand für die geplante US-Botschaft fortgesetzt hat. Was hilft da eine armselige Willkommensbotschaft des rot-roten Kommunistensenats, deren Heuchelei aus jedem Buchstaben und jeder Teilnahme eines Genossen an den antiamerikanischen Umtrieben heute und in den nächsten Tagen trieft.
Und jetzt auch noch das. Das Brandenburger Tor, gleich neben der geplanten US-Botschaft am Pariser Platz, ist geschlossen. Kein Durchkommen, weder von Ost nach West noch von West nach Ost. Was für eine Symbolik an einem Ort, der in die Geschichte des amerikanischen Freiheitskampfes um Berlin eingegangen ist. Und zwar spätestens nach dem legendären Zuruf von Ronald Reagan 1987: „Mr Gorbatschow, open this gate!“
Doch offenbar glaubt auch der amerikanische Präsident nicht mehr an die Gastfreundschaft der Berliner. Eine ursprünglich geplante Rede am Brandenburger Tor hat er bereits abgesagt. Nun spricht er im Reichstag, nicht zu den Berlinern, sondern zu den Deutschen, in der Hoffnung, dass wenigstens die Bundestagsabgeordneten aus Rammstein oder Frankfurt-Airbase die altruistische Liebe der Amerikaner zu Deutschland würdigen und sie im Gegenzug ein wenig unterstützen bei den ebenso altruistischen Unternehmungen, zum Beispiel im Irak.
Natürlich, hinterher wird der Katzenjammer groß sein. Berlin hat, so wird man wieder sagen, eine große Chance verpasst. Vor allem dann, wenn der US-Präsident entgegen dem ursprünglichen Protokoll doch eine Stippvisite ins rot-rote Rathaus wagt. Zwar hat der Regierende Bürgermeister durch die Absage seiner Australienvisite den „Gadu“, den größten anzunehmenden diplomatischen Unfall (einen Händedruck Bush-Gysi) verhindert.
Doch es gibt eben einen Unterschied zwischen bloßer Schadensbegrenzung und tatsächlich freundschaftlichem „Welcome, Mr President“. Um auch noch den letzten Zweifel auszuräumen, Herr Wowereit, müssen Sie handeln und das Tor endgütig öffnen. Bringen sie damit zum Ausdruck, dass Sie der Herr im Hause Berlin sind, und nicht ein paar von Rinderwahnsinn befallene Exkommunisten und Antiberliner, die schon vor 20 Jahren das Ansehen unserer Stadt in der Weltöffentlichkeit beschmutzt haben. Und zeigen Sie mit einer Entlassung des Bausenators und Torschließers Peter Strieder, dass schon morgen mit dem ersten Spatenstich für die US-Botschaft begonnen werden könnte.
Oder wollen Sie allen Ernstes das proamerikanische Feld der Privatwirtschaft überlassen. Der Telekom zum Beispiel, die zuerst das Tor mit ihren Brandscapes verhängt, nur um es einen Tag vor dem Bush-Besuch mit einer Projektion des Weißen Hauses auf „Welcome-Stimmung“ zu trimmen? Nein, wenn der amerikanische Präsident morgen auf diese Stadt schaut, sollte er nicht das Weiße Haus sehen, das würde ihn ja womöglich verwirren. Mr Wowereit, wir bitten Sie deshalb eindringlich: Vollenden Sie das Werk Ronald Reagans.
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